Wir haben in Europa eine Reihe dramatisch gefährlicher Probleme: Horrende Arbeitslosenraten in einigen Eurozonen-Ländern, eine langanhaltende ökonomische Depression im Süden, eine Rezession in den sogenannten »reichen« EU-Staaten, wir haben überschuldete Banken, teilweise hoch verschuldete private Haushalte, und Staatsschuldenstände, die aufgrund des schwachen Wachstums noch drückender werden. Neuerdings sind wir sogar gefährlich in die Nähe der Deflationsgefahr gerückt. Also, die Preise fallen, statt zu steigen, was erstens die Nachfrage noch weiter sinken lassen könnte (da sich die Leute denken, ich gebe mein Geld morgen oder übermorgen aus, da bekomme ich noch mehr für mein Geld), vor allem aber Schuldner besonders knechtet: Sie müssen mit weniger Einnahmen ihre Schulden zurückzahlen, was deutlich schwerer ist, als wenn sie heute mehr Geld einnehmen als gestern und morgen mehr als heute. Eine große Pleitewelle könnte das gesamte Wirtschaftssystem an die Kippe bringen. All diese Probleme und noch ein paar mehr haben wir in Deutschland und Europa. Nur ein Problem haben wir in Europa nicht: Ein Inflationsproblem.
Bloß die deutsche Politik und deutsche Medien glauben, die Inflationsgefahr wäre unser Hauptproblem. Die »Geldschwemme«, für die die Europäische Zentralbank sorge, würde unser Geld »aufweichen«, ist alle Tage zu lesen. Bald, wird der Teufel an die Wand gemalt, würde es Hyperinflation geben. Dann ist das Geld nichts mehr wert, die Sparer sind »kalt enteignet«. Seit sieben Jahren rufen die Panikmacher jetzt schon: Die Hyperinflation kommt! Spätestens nächstes Jahr ist sie da, die Hyperinflation! Das rufen sie jetzt seit sieben Jahren und es ist alles Mögliche gekommen, eine Schuldenkrise ist gekommen, schwaches Wachstum, die Arbeitslosenraten sind in die Wolken gestiegen, aber das einzige, was nicht gekommen ist, ist Inflation.
Die deutsche Kollektivpsyche leitet uns bis heute in die falsche Richtung All das ist nicht nur Obskurantismus, sondern gefährlicher Obskurantismus. Oder, um es mit den Worten von Mark Schieritz zu sagen, dem »Zeit«-Redakteur, der ein sehr instruktives Büchlein über die »Inflationslüge« geschrieben hat: »Die größte Gefahr für unseren Wohlstand ist im Moment nicht die Geldentwertung selbst - sondern die Angst vor ihr. Sie verleitet zu Fehlentscheidungen und trübt den Blick für die wahren Herausforderungen unserer Zeit.« [...] |