»Und Du hattet keine Angst?« Wie oft ich diese Frage gehört habe. Im Café. Am Kneipentisch. Bei Konferenzen. Jedenfalls immer in der Gated Community namens Westeuropa. Und meist von Leuten, die sich selten oder nie aus ihr hinausbegeben. Die Frage hat mich zunehmend genervt, so freundlich sie gemeint war. Denn ich hatte in der Tat keine Angst: vor dem Leben in Islamabad, mit Haushälter, großem Balkon und Fahrer. Vor dem Leben in der suburbanen Gartenstadt. »The Bubble«, die Blase, nennt man Islamabad in Pakistan. Weil es so ruhig ist, und so grün. Mit rund 800.000 Einwohner_innen eine der mittelgroßen Städte in dem Land, auch wenn man dort ein Auto braucht. Islamabad ist Regierungssitz. Sonst ist nicht sehr viel los, zumindest dann nicht, wenn man nach westeuropäischen Maßstäben misst und mit Los-Sein das öffentliche Kulturleben meint. Dafür gibt es einen schönen See und gute Wanderwege. In den Hügeln, die sich gleich neben der Stadt erheben. Wo die Ausflugslokale brummen, mit ihren riesigen Terrassen, delikatem Grillfleisch, und Aussicht auf die Metropole. Motorrikschas, die in anderen asiatischen Städten das Straßenbild prägen, sind verboten. Die Botschaften reicher Länder stehen meterhoch ummauert in der diplomatischen Enklave, die selbst noch einmal meterhoch ummauert ist. Islamabad hat also wenig mit dem »Islamabad« zu tun, das man in Staffel 4 von Homeland zu sehen kriegt. Es ist eher wie ein Brasília ohne Niemeyerbauten. Ebenso am Reißbrett geplant, ab 1960, als die neue brasilianische Hauptstadt gerade eingeweiht wurde. Der Niemeyer Islamabads war Konstantinos Doxiadis aus Griechenland. In den frühen 1990er Jahren hat Doxiadis Associates, inzwischen eine weltweit operierende Beratungsfirma »with special emphasis on addressing the problems of human settlements«, Islamabad hinsichtlich des weiteren Ausbaus beraten.
Seit vielen Jahren wächst die in Planquadrate eingeteilte Stadt konstant Richtung Südwesten. Wer Geld hat, kauft ein Grundstück in einem neuen Quadrat und baut. Die Arbeitskosten sind niedrig. Die Wege werden zwar weiter, je tiefer man in den Südwesten geht, je weiter weg vom Regierungsviertel im Nordosten und den exklusiven Wohnvierteln in der Nähe. Aber die werden eh immer unerschwinglicher. Zumindest der Mietmarkt dort ist bestimmt von Preisen, die allein westliche Expats locker zahlen können, das heißt die Entsendeorganisationen, die oft die Wohnkosten massiv bezuschussen. Da lebt dann so manche Entwicklungsexpertin allein in einem Anwesen, das einst für einen Mehrgenerationenhaushalt gebaut wurde. [...]