Nach Jahren des Krieges und der Belagerung liegen Rom und Karthago in erschöpfter Umarmung, die Messer stecken im Fleisch, wildharrend in ihrer furchtbaren Rüstung. Ihr letztes Flüstern wird von einer Stenografin aufgenommen, Resolutionen für die Zukunft.
Geliebtes Karthago,
wir schwinden der Welt. Alles haben wir uns gesagt, ohne Zögern, ohne Rücksicht, ohne Schuld. Gelernt habe ich von dir Alles, mein rastloser Bluthund. Der Sex, die Mauern in den Wörtern, der schmerzende Blick nach Westen, die Nähe ohne Ausweichen. Die Toten in der Wand, in den Haaren, den Schatten. Sie sprechen zu uns, und du hast meine Ohren dafür geöffnet wie deine Messer und Harpunen meine Haut geöffnet haben. Ich habe gelernt, dass wir die Bühne nicht verlassen dürfen, auch wenn wir uns verschanzen wollen im Unterboden. Auch wenn alles zusammenbricht und die Freunde sich abkehren. Ein WIR habe ich gelernt, alles was ich bin jetzt. Was WIR sind, das alte Europa, liegt in Ruinen. Gute Nacht, London, Budapest, Athen. Gute Nacht, Berlin. Unsere Waffen schneiden zu tief für die flachgewordene Welt. Ein ehemaliger Bekannter – ich habe nur ehemalige Bekannte – sagte mir vor vielen Jahren, dass er gerne eine Mauer bauen würde, um das zu beschützen, was er liebt. Wozu, denke ich jetzt, der Kontinent ist von Zäunen und Grenzen zerschnitten. Flaneure enden in der Sackgasse. Er kam aus deinem Land, aus der Luftspiegelung DDR, die du immer siehst, wenn du durstig bist. Wenn ich Durst habe, komme ich zu dir und der Weg ist klar und gerade wie die Lindenallee. Unter dem Lenin. Under the moonlight. Wie halten WIR es mit der Angst?
WIR, im Widerspruch verkettet, so sind wir bei der ersten polar-Party aufgetreten und nimmermehr,
Dein Rom
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