Über Trump zu schreiben ist schwierig, da die Oberflächenspannung des US-Wahlkampfs sich minutenweise ändert. Auch deshalb hat Sascha Lobo in seiner Spiegel-Kolumne »das Phänomen Donald Trump« anhand von drei Twitter-Kurznachrichten erklären wollen. Die Methode ist bereits eine Konzession an Trump-Politics, die politisches Denken und Argumentieren in maximal 140 Zeichen realisieren müssen, und zwar andauernd. Als Phänomen beschrieben, verschiebt Lobo Trump in den Bereich des Unklaren, über das doziert werden kann. Das minimale Erklärungswissen zu Trumps bisherigem Aufstieg ist aber ohne Hilfsmittel sichtbar: Residualrassismus und Chauvinismus des weißen Amerika, ein weltentrücktes Kandidatenfeld der GOP, ihre ressentimentgesättigte Mitgliederschaft. Oder auch: Backlash.
Es gibt wenig zu enträtseln
Es gibt wenig zu enträtseln, der Idiot spielt in völliger Offenheit, seine Mittel sind klar und direkt. Mauer gegen Mexiko, Waterboarding, Einreisestop für Muslime, Handelsboykott gegen China, Steuersenkung, Kritik am Establishment, an den Medien: die Trumpschen Lügen, Dada-Programmpunkte und situationistischen Einwürfe zu Allem und Jedem sind uninteressant für was sie wollen, und goldwert für den Wortgebrauch, den sie ermöglichen: hier rape, terror, losing, crooked, rigged, weak; dort winning, deal, strong, tremendous, America Great/America First (Wahlspruch der profaschistischen Isolationisten der 1930er Jahre).
Zu erklären ist mithin der falsche Zugang zum Sprachkrieg Donald Trumps, der erkannt hat, dass US-Wahlkämpfe seit den 60er Jahren eher über Umgangsformen und Verkehrsweisen des Sozialen ausgetragen werden als über Programme: seine gewählte Waffe ist hate speech. Während den Vorwahlen hatten die Medien Trump als rassistisch/sexistisch operierendes Spektakel erkannt und dokumentierten mit Verve jede Verwerfung. Die Deutungsversuche entschuldigten den Voyeurismus, statt aufzuklären oder zu verfolgen. Ohne davon erklärt zu werden, hat Trumps Erfolg eine veränderte Perspektive auf die USA ermöglicht. Sie macht sichtbar, dass Frauen für Sexismus stimmen können, Arme für niedrige Millionärssteuern, Gebildete für Dummheit, und alle für die gewaltsame Zementierung weißer Männerherrschaft. Trump repräsentiert nicht die Ängste einer oder mehrerer Gruppen, denn Dummheit kennt keine Angst. Trump ist Freude am rasanten Zurückdrehen der Uhr, am beschleunigten Ausbau einer rassistischeren Parallelgesellschaft als kapitalistische Utopie. Die alten Koalitionen sind brüchig. [...]