Die Einsicht, dass Menschen manchmal unkluge Entscheidungen treffen, deren Folgen sie später bereuen, hat sich inzwischen von einer Trivialität zu einer wirkungsmächtigen politischen Botschaft entwickelt. Heerscharen von Verhaltensökonomen und Psychologen denken darüber nach, wie uns ein vorsorgender Staat vor unseren Schwächen schützen oder – besser noch – diese Schwächen zu unserem Wohl ausnutzen kann. Aber was heißt hier »Wohl«? Gehört es nicht zu den Grundfesten freiheitlicher Ordnungen, dass der Einzelne der Souverän über sein Wohl und dessen Definition ist? Die Zeiten scheinen vorbei zu sein, denn es gibt eine neue Zauberformel: das Glück, das jeder erstrebt und das die Glücksforschung, ein boomendes Gewerbe, misst. Widerspruch ist zwecklos, denn wir alle irren nur darüber, was uns wirklich gut tut. Wie unmündige Kinder, die nicht unterscheiden können, was ihnen wahrhaftig nützlich oder schädlich ist, und die, wie sie glücklich sein sollen, bloß von dem Urteile des Staatsoberhaupts erwarten: Herzlich willkommen im größten denkbaren Despotismus! Stefan Huster
Der zentrale Kampfbegriff linker Politik ist die Gerechtigkeit – und nicht das Glück. Man könnte zwar meinen, dass es auch in der Politik der Gerechtigkeit letztlich um das Glück gehe, weil sie die Chancen und Ressourcen fair (um-)verteilen will, die für ein glückliches Leben notwendig sind. Doch diese eudaimonistische Lesart der Gerechtigkeit ist irreführend. Den wahren Zusammenhang von Glück und Gerechtigkeit, mit dem übrigens zugleich auch das Verhältnis von Glück und Angst ins rechte Licht rückt, hat Thomas Hobbes offen gelegt: Alle Menschen streben nach Glück. Weil aber die Glücksressourcen knapp sind, kommen sie sich ständig in die Quere. Bald wird daraus ein Hauen und Stechen, die allgemeine Angst vor Übergriffen wächst. Und das Recht bzw. die Gerechtigkeit soll nun ausschließlich eben diesen sozialen Unfrieden beseitigen – und nicht etwa das damit gegebenenfalls verknüpfte Unglück. Vielmehr ist es ja das Glück selbst, welches schuld daran ist, dass so viel Chaos herrscht, welches es dann politisch mühsam zu beseitigen gilt. In Wahrheit also – und das gilt keineswegs nur für ein Rechtsstaatsdenken à la Hobbes – hat jede moderne Politik ein gespaltenes Verhältnis zum Glück. Es ist ihr bestenfalls egal. »Zum Glück!«, möchte man meinen. Arnd Pollmann [...]