In der ›Flüchtlingskrise‹ haben Vorstellungen nationalstaatlicher Reautonomisierung Hochkonjunktur. Nicht nur lassen Dänemark, Ungarn und die Balkanstaaten Taten bzw. Zäune sprechen, auch in Deutschland formulieren »Public Intellectuals« wie Rüdiger Safranski oder Peter Sloterdijk ein identitäres »Lob der Souveränität« und liefern damit die Stichworte, die von der Neuen Rechten und ihren Vordenkern Götz Kubitschek oder Marc Jongen dankend aufgegriffen und in einen fremdenfeindlichen »Stigmatisierungsdiskurs« (Tzvetan Todorov) umgesetzt werden. Popularisiert und emotional an ein Massenpublikum weitergegeben wird die Angst vor dem Fremden und Anderen jedoch von einigen der derzeit erfolgreichsten Filme und Serien. Sie kennen alle vor allem ein Gegenmittel: neue Mauern.
Über konkrete Fragen der Praktikabilität und der politischen Kosten eines neuen Isolationismus hinausweisend, steht im Folgenden die Persistenz und Neukonfiguration der Imagination geschlossener, vermauerter Grenzen im Fokus, die sich im politischen Diskurs, aber auch in der Populärkultur seit einigen Jahren beobachten lässt. Obwohl es in Realität die medialen Praktiken eines virtual fencing sind, die die ›intelligenten‹, räumlich und zeitlich zerdehnten Grenzen ausmachen, spielt die symbolische Überkodierung von Mauern und Zäune im Kontext der politischen Debatte über ein neues rebordering der nationalen Sicherheit in der post-9/11-Welt eine wichtige Rolle. Nationalistische Akteure nutzen intensiv die suggestive Kraft des Szenarios einer Flut potenziell gefährlicher Fremder, die von den starken Mauern des Staates aufgehalten werden muss. Die Semantiken, mit denen dieser Diskurs operiert, rekurrieren einerseits auf einen bis ins 18. Jahrhundert zurückreichenden Ideenkomplex von homogener Nation und souveränem Staat. Sie beziehen ihre Evidenz andererseits aus einem die alte Angst vor dem barbarischen Fremden aktualisierenden politischen Imaginären, aus dem sich in der Bearbeitung durch Medien und kulturelle Codes die rezenten Erzählungen und Bilder der Bedrohung speisen.
Bevor vor diesem Hintergrund das Faszinationspotenzial der Mauer als angstimprägniertes Kollektivsymbol der Ein- und Ausschließung anhand zweier populärkultureller Grenzerzählungen genauer zu skizzieren ist, soll vorab eine zeitdiagnostische Bezugsgröße profiliert werden. Zentral ist dabei die Frage, welchem Ermöglichungszusammenhang die populärkulturelle Konjunktur der neuen Mauern als einer wahrnehmungslenkenden practice of seeing entspringt. Dabei wird sich zeigen, dass eine soziologische Erklärung, die das Aufkommen neuer Mauern als einen anachronistischen Rückfall in ein sicherheitspolitisches Hygiene-Dispositiv des 19. Jahrhunderts sieht, zu kurz greift, solange sie nicht den imaginativen Überschuss und das Angstmanagement neuer Schließungspraktiken ins Kalkül zieht. Betrachtet man die Psychopolitik des containments genauer, zeigt sich in den populärkulturellen Narrativen und Bildern neuer Mauern eine Überlagerung geopolitischer und biopolitischer Elemente, die ihre Plausibilität aus der Angst- und Unsicherheitsgefühle erzeugenden »negativen Globalisierung« (Zygmunt Bauman) bezieht. [...]