Nach einem Blick in die Nachrichten machen sich bei vielen enttäuschte Hoffnungen oder sogar Ohnmachtsgefühle breit. Wir sahen den arabischen Frühling und seine Niederschlagung. Viele hatten gehofft, die Finanzkrise von 2008 würde in eine Bändigung des globalen Finanzkapitalismus münden, doch diese Hoffnung wurde enttäuscht. Die »Willkommenskultur« gegenüber Geflüchteten schlug in den letzten Monaten um in eine Politik, die sich von der angstgetriebenen und menschenfeindlichen Rhetorik der AfD vor sich her treiben lässt. Statt eines Aufschwungs von Kosmopolitismus erleben wir derzeit ein Wiedererstarken identitärer Gemeinschaftsvorstellungen – nachdrücklich von einigen Intellektuellen orchestriert – sowie rechtsextreme Übergriffe und Terroranschläge ungeahnten Ausmaßes. Der internationale Terrorismus bringt Ängste in unseren Alltag, und der sogenannte »Islamische Staat« (IS) schürt diese vor dem Islam insgesamt. Weltweite Naturkatastrophen bezeugen das kommende Klimachaos. Begleitet wird dies von um sich greifenden alltäglichen Sorgen um den Arbeitsplatz, um bezahlbare Wohnungen oder die eigene Gesundheit.
Die alten Fortschrittserzählungen haben sich verbraucht
Der soziale Wandel, der zu einer Zunahme derartiger Zustände und Stimmungen beiträgt, schreitet voran, maßgeblich vorangetrieben durch neue Technologien und durch transnationale Banken und Konzerne, die neue Felder suchen, ihr überakkumuliertes Kapital weiter zu vermehren. Zugleich haben sich viele alte Fortschrittserzählungen – Erzählungen von Sozialismus, Aufklärung, einer Zähmung des Kapitalismus durch Sozialstaatlichkeit und von Fortschritt durch Technik – verbraucht. Unsicherheit ist angesichts immer komplexer werdender technischer, kultureller und sozialer Veränderungen zum existenziellen Grundgefühl geworden. Die Zukunft erscheint aus der ohnmächtigen Perspektive vieler Einzelner nicht mehr als gestaltbar, sondern als geschlossen. Zum Finanzkapitalismus scheint es keine Alternative zu geben, der Klimawandel erscheint als unaufhaltbar, soziale Ungleichheiten wachsen weiter, obwohl alle beteuern, dagegen etwas zu tun. Und Wirtschaftswachstum wird weiter als Allheilmittel beschworen, obwohl man weiß, dass wir im globalen Norden deutlich auf ein Nullwachstum zusteuern (müssen). Gewissermaßen als kleine Lösung werden dann die Hoffnungen auf das »Internet der Dinge«, »grünes Wachstum«, »digitalen Kapitalismus«, oder »Industrie 4.0« verlegt, obwohl wir auch hier wissen, dass der technologische Wandel gerade im Bereich der Informationstechnologien massiv Arbeitslosigkeit (auch und besonders unter den Mittelschichten) und Abhängigkeiten von Internetoligopolen hervorbringen wird. [...]