Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #21: Gegen die Angst




EDITORIAL

 
Peter Siller/Bertram Lomfeld
Editorial


ZORN

 
Heinz Bude
Woher der Zorn?
Die »Abgehängten« und »Verbitterten« in der Gegenwartsgesellschaft
 
Fabian GĂĽlzau
Unter Stress
Die Bildungspanik der Mittelschichten
 
Micha Brumlik
Identitäre Bezüge
Dugin, Evola und immer wieder Heidegger
 
Karsten Rudolph
Angst der/vor dem BĂĽrger
Eine kritische Bilanz der Bürgerbeteiligung für die repräsentative Demokratie
 
Julian KrĂĽper
Rechtsrisiko Angst
Gefahr, Risiko und Restrisiko als hochpolitische Kategorien
 
Lars Koch
Desiring Walls
Über das kollektive Imaginäre einer Architektur der Angst
 
Stefan Huster/Arnd Pollmann/Ulrike Meyer/Peter Siller
Ist es links? >GlĂĽck<
 
Sabine Bode
Wie lang sind die Schatten?
Was Generationen erben können
 
Maja Bächler
Wie German ist die Angst?
EntstehungsgrĂĽnde einer schillernden Redewendung
 
Susann Neuenfeldt/Simon Strick
Hallo Rom/Hallo Karthago: >In erschöpfter Umarmung<



ZUVERSICHT

 
Roland Schaeffer
Gegen eine Politik der Angst
20 Thesen zu einer menschenrechtsorientierten Sicherheitspolitik
 
Sabine Rennefanz
Links liegen gelassen
Die stille Wut der Wendegenaration
 
Frank Adloff, SĂ©rgio Costa, Ina Kerner und Andrea Vetter
Eine gesellige Gesellschaft
Für eine neue Politik der Konvivialität
 
Christian Bommarius
Innere Sicherheit?
Das Recht im Griff der Angstpolitik
 
Simon Strick
Backlash
Trump und das Lachen der Angst
 
Isabella Helmreich
Zum Beispiel Freundschaft
Zur Stärkung unserer Widerstandskräfte
 
Deniz Sertcan
Der Fremde in mir
Von der postkonventionellen Abspaltung der eigenen Ă„ngste
 
Lars Bullmann
Mein halbes Jahr: >Literatur<
Emil Angehrn – Klaus Heinrich – Franz Kafka – Johann Peter Hebel
 
Johannes von Weizsäcker
Mein halbes Jahr: >Musik<
Herbert Grönemeyer – Human Abfall
 
Matthias Dell
Mein halbes jahr: >Film<
Vor der Morgenröte – Casualties of War – Demain
 
Peter Siller
Mein halbes jahr: >Comic<



ZOMBIE

 
Daniel W. Drezner
Untote Tropen
Die Zombieapokalypse im öffentlichen Diskurs der USA
 
 

Hito Steyerl

Den Verstand fest verschlossen

Kunst im Zeitalter der Angst


Jüngst berichtete BBC, dass es 6000 der circa 30.000 afrikanischen Boat-People nicht auf die Kanarischen Inseln geschafft haben. Sie sind auf dem Weg ertrunken oder vermisst. Das sind nicht die einzigen Zahlenangaben allein für das Jahr 2006. Die Zahl wird nur lebendig, wenn wir sie mit anderen Ziffern vergleichen. Sie ist fünfmal so hoch wie die Anzahl der Verwundeten im Israel/Libanon Konflikt im gleichen Jahr. Etwa doppelt so groß wie die Toten der so genannten zweiten Intifada. Oder die Opfer von 9/11. Könnte sich jemand die Medienberichterstattung vorstellen, wenn diese Anzahl von Menschen während eines Erdbebens oder eines Terrorangriffs ums Leben gekommen wäre? Zumindest einen Monat lang die neuesten Nachrichten, Sonderberichte und eine unaufhörlich sprechende Armee von Risiko- und HilfeexpertInnen. Aber um das Schicksal der Boat-People gibt es nur ein Furcht erregendes Schweigen. Wie kommt das? Diese Leute sind nicht nur wegen schadhaften Booten, starken Stürmen oder anderen Launen der Natur ums Leben gekommen. Ihre Todesursache ist die europäische Angst.

Angst ist Europas gemeinsamer Nenner: Sie ist ihre geheime Währung. Nach dem Scheitern der Ratifizierung einer gemeinsamen Verfassung teilen sich die europäischen BürgerInnen nur mehr ihre Beklemmungen von ganzem Herzen. Terrorbedrohung, Einwanderungsbedrohung, Bedrohung durch Personalabbau, Viren, Verbrechen, globale Erwärmung, alles kann virtuell als Phobie konstruiert werden. Es gibt Angst vor zu viel oder zu wenig Veränderung, Angst vor der Welt, Angst vor sich selbst. Sogar die Unglücklichen, die fortfahren, in den europäischen Meeren zu ertrinken, sind Objekt tiefgreifender Beklemmung. Es wäre völlig verständlich, wenn sich die Boat-People vor Europa fürchten würden, da die Zahl der Todesopfer von rund 25 % allerdings Furcht erregend ist.

Unglücklicherweise macht es keinen Sinn, auf die Irrationalität dieser Form von Angst hinzuweisen, da sich alles genau um diese Irrationalität dreht. Es gibt einen einfachen Grund für dieses Scheitern der Vernunft. Angst ist sehr produktiv und, wenn man so sagen darf, attraktiv. Wir mögen sie und fördern sie aktiv. Wir wählen sie in Scharen. Der Erfolg der Rechtsparteien und der so genannten populistischen Parteien überall in Europa ist eine Auswirkung einer schon lange bestehenden Sucht nach Angst. Wenn jemandes Leben bedroht ist, impliziert das, dass man noch am Leben ist. Angst rinnt durch die Venen wie Adrenalin oder wie eine Droge. Das ist die zeitgenössische Form von Bewusstsein: den Verstand fest verschlossen. [...]


 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Gartenstadt im Krisengebiet<



SCHÖNHEITEN

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