»Angst vor der Angst, wir schlafen ein«, sang einst Herbert Grönemeyer auf seiner ein wenig in Vergessenheit geratenen LP »Kinder an die Macht«. Nun drängen einige Kinder von damals an die Macht, und man kommt gar nicht mehr dazu, Angst vor der Angst oder gar vor dem Einschlafen zu haben, da man ja einfach richtig Angst hat.
Vor einigen Jahrzehnten, in vielleicht ähnlich paranoiden Zeiten, gab es sehr viel aggressive Angst-Musik, in der sich vor allem auch die englisch ausgesprochene angst fand. Diese wiederum bedeutet die Wut und Verzweiflung über die deutsch ausgeprochene. Wie auch immer, viele irre Punk- und Post-Punk und sonstwie gearteten Nicht-Rock-Bands buhlten damals kreischend um die Gunst des Publikums, und das war doch toll, denn sie drückten in Klang und Wort wie kaum eine Popmusikergeneration zuvor oder hernach den Krieg in unseren Köpfen aus.
Bis heute klingt dies nach, und was lange Zeit wie müdes Pastichewerk wirkte, erhält momentan neuen Atem, besonders, wie es scheint, in der Wutbürger-Stadt Stuttgart. Deshalb geht es im Folgenden um eine gute, von dort stammende Neu-Post-Punk-Band, die Human Abfall heißt. Denn das zunehmende Grauen, welches sensible Bewohner dieses Landes angesichts dessen fortschreitender Rechts-Orientierung verspüren, braucht einen Soundtrack, und Human Abfall liefert ihn!
Bereits seit einigen Jahren erfreut uns die Band mit ihren intensiven Darbietungen; diese bestanden bislang stets darin, dass Frontmann Flavio Bacon (auch ein prima Name) mittig am vorderen Bühnenrand stand, in permanent hochärgerlicher Anspannung Mörderblicke ins Publikum warf, gelegentlich Beamtendeutsch, Kundendienst-Floskeln und nach beendeten Liedern »Danke!« in ein Mikrofon bellte, sich dabei wie eine Mischung aus Reichsparteitagsreder und Volksbühnenschauspieler in einem jener Brüll-Stücke anhörte, und seine drei Mitstreiter hinter ihm an Bass, Schlagzeug und Gitarre vom Kollaps bedrohte, primitive Rhythmen und Riffs hinauswummerten. Wahnsinn! [...]