Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #12: Eine für alle




EDITORIAL

 
Editorial
Peter Siller, Bertram Keller



VERSAMMLUNG

 
Martina Löw
»Jede Stadt ist ein Seelenzustand«
Über städtische Vergesellschaftung und Identitätsanforderung
 
Daniel A. Bell/Avner de-Shalit
Civicism
Plädoyer für ein Stadt-Ethos zwischen Kosmopolitismus und urbaner Partikularität
 
Benjamin Steiner
Zeitschichten
Historische Überlegungen zur Zukunft von urbanen Räumen
 
Christoph Twickel/Arnd Pollmann/Andrej Holm/Peter Siller
Ist es links?: >Gegen Gentrifizierung<
 
Friedrich von Borries
Paradoxale Mobilität
Raumeroberung und Raumkontrolle durch Mobilität
 
Walter Siebel
Ordnung und Chaos
Bedingungen der urbanen Stadt
 
Ludger Schwarte
Die Stadt, eine Volksversammlung
Architektonische Bedingungen freien Handelns



ZERSPLITTERUNG

 
LoĂŻc Wacquant
Ethnische SchlieĂźung
Eine soziologische Spezifikation des Ghettos
 
Interview Geoff Dench
»Revival der Community«
 
Andreas Willisch
Kleine Stadt, große Häuser
Von der Industriestadt zur Transfergesellschaft
 
Nikita Alexeev
Nach Moskau
Russland ist eine Chimäre, Moskau deren Gesicht
 
Levente Polyák
Einheitliche Zersplitterung
Finden und Erinnern in den verworrenen Städten Mitteleuropas
 
Bianca Tavolari
Leerstand
Zu den aktuellen sozialen Kämpfen um die Stadt in São Paulo
 
Nina Brodowski
Provincializing Humboldt
Der Diskurs um den Berliner Schlossplatz als gesellschaftspolitischer Gradmesser
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Wie Kassel in den 80ern<
 
Arno Brandlhuber/Anna-Catharina Gebbers
Collage City
Von Ordos nach Berlin: Die Stadt als Fragment
 
Vera Tollmann
Bildschirm-Realität
Ăśber den zentralen Platz in der Planstadt Ordos, China
 
Johannes von Weizsäcker
Mein halbes Jahr: >Musik<
Sebadoh – Pink Mountain Tops – Nissenenmondai – Chris Corsano
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr: >Film<
Das Leben ist eine Baustelle – Männerherzen 1 & 2 – Fenster zum Sommer – What a Man – Rubbeldiekatz



UMGEHUNG

 

Anna Sailer/Anna-Catharina Gebbers/Judith Karcher/ Peter Siller

>Literatur spezial: Stadt, Land, Flucht<

Josef Bierbichler – Jan Brandt – Katharina Hacker – Peter Kurzeck – Andreas Maier – Moritz von Uslar


I. Umgehungsstraße
Karcher: In der »Dorfgeschichte« von Katharina Hacker geht es um die Sommermonate einer Stadtfamilie auf dem Land. Das Dorf bleibt dabei charakterlos. Ein Ort wie jeder andere. Die Dorfbewohner leben nebeneinander her, man lässt sich in Ruhe und ist doch vertraut. »Im Dorf gibt es keine Geschichten, hier findest du nichts«. Eindrucksvoll werden die Sommermonate aus der Sicht des Kindes beschrieben, das diese Zeit sehr selbstbestimmt und furchtlos erfährt. Die Kinder verbringen ihre Tage im Wald und bei den Nachbarn, dürfen schon mit wenigen Jahren den ganzen Tag dem Haus fern bleiben und draußen übernachten und müssen niemandem Rechenschaft ablegen, wo sie gewesen sind.

Siller: In Jan Brandts 927 Seiten-Debut Gegen die Welt geht es im Kern auch nicht um eine bestimmte Gegend. Das ostfriesische Dorf Jerichow – so heißt der Ort des Romans – ist ein literarischer Ort (mit Bezügen zum biblischen Ort Jericho wie zum Jerichow aus Uwe Johnsons Romanen Mutmaßungen über Jakob und Jahrestage), aber er ist zugleich jedes Dorf. Auch wenn der Schauplatz Ähnlichkeiten mit der ostfriesischen Stadt Leer aufweist, aus der der Autor stammt (aber auch Persönlichkeiten wie Karl Dall oder H.P. Baxxter von Scooter). Jerichow ist überall: das Neubauviertel, die Tujenhecken, das Autowaschen, die Bahngleise, der Fußballplatz, die Nachtfahren auf der Landstraße etc. Eine nivellierte Kleinstadt der achtziger Jahre, wie überall und wohl auch heute noch. Und zugleich Kulisse für das ganze Welttheater.

Sailer: Heimat ist ja ein bisschen wie der Markenabdruck, der dem Schriftsteller Andreas Maier anhaftet, ohne dass er jedoch zu den Nostalgieverdächtigen und Heimatheroisierern zählt. Man hat nicht den Eindruck, von einem Loblied der Provinz, sondern von deren Verabschiedung zu lesen. Als wenn Maiers Motiv der Ortsumgehungsstraße auch für das Schreiben gilt: einen Ort zu umkreisen der sich von sich selbst ablöst indem er stetig vom Neulich ins Einstmals kippt. So werden in seinem Roman Das Zimmer präzise Schilderungen der Wetterau technischen Einschnitten gegenübergestellt, die diesen Raum verändern: die Mondlandung, das Aufkommen des Verkehrswesen, die Bundesautobahn 5, die entstehende Frankfurter Skyline. Von Maier ausgehend hat Michael Angele, wie mir scheint treffend formuliert: »Was ist Provinz heute? Ein Ort mit Ortsumgehungsstraße«.

Gebbers: Moritz von Uslar besucht in Deutschboden die ostdeutsche Provinz, um sich ein Bild von der Nachwende-Situation in der ehemaligen DDR zu machen. Die Observationsbasis des Autors ist Zehdenik, im Buch Overhavel genannt, da auf diesen Ort seine vorher festgelegten Auswahlprämissen zutreffen: von Berlin aus in unter 60 Minuten zu erreichen, Kleinstadt, Boxclub, annehmbare Kneipe. Und so boxt Uslar sich im Wortsinne durch, gewinnt im sozialen Feld, scheitert im Ring und ist am Ende um einige Erkenntnisse reicher. Seine journalistische Recherche konfrontiert ihn mit dem vergeblichen Streben nach einer gesamtdeutschen Befindlichkeit und mit der schon kurz hinter dem Berliner Speckgürtel beginnenden fatalen Arbeitslosigkeit. Uslar ist aber viel zu schlau, um nicht zu wissen, dass die politische Reportage weniger sein Metier ist. An ihre Stellte tritt die feuilletonistische Suche nach der verlorenen DDR, deren Pastellfarben, vergleichbar in ihrer exotischen Drögheit mit dem amerikanischen Heartland.

Mittelreich von Josef Bierbichler geht dagegen an einem ganz anderen Ort zurück in die Zeit. Das Buch verfolgt die Entwicklungen der Jahre 1914 bis 1984 aus der Sicht einer Seewirts- und Bauernfamilie in einem Dorf an einem oberbayrischen See. Es ist Josef Bierbichlers Verarbeitung seiner eigenen Familiengeschichte in Ambach am Starnberger See. Der zweitälteste Sohn des Seewirts (Bierbichlers Alter Ego) will Künstler werden und muss widerwillig den Hof übernehmen, da der älteste Sohn verwundet aus dem Krieg zurückkommt. [...]


 
FĂĽsun TĂĽretken
Fluchtlinien entlang 9/11
Episoden I bis III
 
Franziska Werner/ Mark Thomann
Berlin del Mar
RĂĽckblick auf eine kĂĽnstlerische Stadtintervention
 
Susann Neuenfeldt/Simon Strick
Hallo Karthago/Hallo Rom: >Das Versprechen<
 
Martin Saar
Bildpolitik: >Besetzung<



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