





polar #12: Eine für alle
EDITORIAL
VERSAMMLUNG
ZERSPLITTERUNG
LoĂŻc Wacquant Ethnische SchlieĂźung Eine soziologische Spezifikation des Ghettos
| Interview Geoff Dench »Revival der Community«
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Andreas WillischKleine Stadt, groĂźe HäuserVon der Industriestadt zur Transfergesellschaft | Der Umbruch, den eine Stadt wie Wittenberge in den letzten Jahren schon hinter sich gebracht hat, ist schwer nachzuvollziehen und er ist keineswegs an sein Ende gekommen. Umbruch heißt, dass hier eine soziale, funktionale und räumliche Umstrukturierung dessen von statten geht, was einmal eine typische Industriestadt gewesen ist. Dieser Transformationsprozess geht weder auf in Beschreibungen des demografischen Wandels, noch lässt er sich eingrenzen auf die unmittelbaren Wendefolgen des deutschen Vereinigungsprozesses. Der seit den 1970er Jahren fortschreitende Umbruch war vielmehr die Ursache dafür, dass in der DDR die politische Führung und mit ihr ein anpassungsresistentes gesellschaftliches Regime gestürzt wurde, gerade weil es sich als komplett unfähig erwiesen hatte, politisch, wirtschaftlich und sozial auf eine veränderte globale Situation zu reagieren. Was allerdings auf diese politische Revolution folgte, war ein in weiten Teilen kompletter wirtschaftlicher Zusammenbruch, der lange Zeit ein Nachbau West-Versuch war, und eine bis heute anhaltende Suche nach einer neuen wirtschaftlichen und darüber hinaus vor allem kulturellen Basis einer post-fordistischen Stadt.
In einschlägigen Demografie-Rankings belegt die Prignitz und insbesondere die Stadt Wittenberge stabil einen der letzten Plätze. Angefeuert wird dieser Demografie- Diskurs durch eine Massenauswanderungsbewegung parallel zum Zusammenbruch der industriellen Strukturen. Die Menschen, die sich im Industrialismus des 20. Jahrhunderts zu Hause fühlten, sind den wandernden industriellen Strukturen hinterhergezogen. Bemerkenswert daran ist, dass auch dieser Wanderungsprozess nicht erst mit der Komplettimplosion einsetzte, sondern ebenfalls im Laufe der 1980er Jahre an Fahrt aufnahm. In der Zeit zwischen Ende der 1970er bis Ende der 80er Jahre verlor Wittenberge mehr als zehn Prozent seiner Bevölkerung, von 33.000 auf 29.500 Einwohner.
Was zunächst wie ein schleichender Niedergang aussah, gewann 1990 und 1991 rapide an Fahrt. Innerhalb weniger Monate schlossen die drei größten Unternehmen. Dabei nahm und nimmt das Ende des Veritas-, ehemals Singer-Nähmaschinenwerks mit ehemals 3.200 Beschäftigten eine besondere Stellung ein. Singer/Veritas hat die Stadt geprägt, hat die Stadt schon früh ins Geflecht globaler Arbeitsteilung integriert (Singer Manufacturing Co. war ein amerikanisches Unternehmen, dass 1902 die Grundstücke für den Aufbau eines Unternehmens in Deutschland erwarb) und Veritas galt zum Ende der DDR als eines der modernsten Nähmaschinenunternehmen Europas. Dass die Zellwollewerke, von denen eine ökologische Bedrohung ausging, und die nicht marktbereite Ölmühle geschlossen wurden, erschien hart aber unausweichlich. Dass auch Veritas kein Neustart gelang, stattdessen an windige Investoren verkauft wurde, trägt nicht unwesentlich zu einer Blockadehaltung des gesamten Umbruchsprozesses bei und nimmt bisweilen mystische Züge an. Insgesamt wird in der Stadt davon ausgegangen, dass Anfang der 1990er Jahre bis zu 10.000 Industriearbeitsplätze verloren gegangen sein müssen. [...] |

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