Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #12: Eine für alle




EDITORIAL

 
Editorial
Peter Siller, Bertram Keller



VERSAMMLUNG

 
Martina Löw
»Jede Stadt ist ein Seelenzustand«
Über städtische Vergesellschaftung und Identitätsanforderung
 
Daniel A. Bell/Avner de-Shalit
Civicism
Plädoyer für ein Stadt-Ethos zwischen Kosmopolitismus und urbaner Partikularität
 
Benjamin Steiner
Zeitschichten
Historische Überlegungen zur Zukunft von urbanen Räumen
 
Christoph Twickel/Arnd Pollmann/Andrej Holm/Peter Siller
Ist es links?: >Gegen Gentrifizierung<
 
Friedrich von Borries
Paradoxale Mobilität
Raumeroberung und Raumkontrolle durch Mobilität
 
Walter Siebel
Ordnung und Chaos
Bedingungen der urbanen Stadt
 
Ludger Schwarte
Die Stadt, eine Volksversammlung
Architektonische Bedingungen freien Handelns



ZERSPLITTERUNG

 
LoĂŻc Wacquant
Ethnische SchlieĂźung
Eine soziologische Spezifikation des Ghettos
 
Interview Geoff Dench
»Revival der Community«
 
 

Andreas Willisch

Kleine Stadt, große Häuser

Von der Industriestadt zur Transfergesellschaft


Der Umbruch, den eine Stadt wie Wittenberge in den letzten Jahren schon hinter sich gebracht hat, ist schwer nachzuvollziehen und er ist keineswegs an sein Ende gekommen. Umbruch heißt, dass hier eine soziale, funktionale und räumliche Umstrukturierung dessen von statten geht, was einmal eine typische Industriestadt gewesen ist. Dieser Transformationsprozess geht weder auf in Beschreibungen des demografischen Wandels, noch lässt er sich eingrenzen auf die unmittelbaren Wendefolgen des deutschen Vereinigungsprozesses. Der seit den 1970er Jahren fortschreitende Umbruch war vielmehr die Ursache dafür, dass in der DDR die politische Führung und mit ihr ein anpassungsresistentes gesellschaftliches Regime gestürzt wurde, gerade weil es sich als komplett unfähig erwiesen hatte, politisch, wirtschaftlich und sozial auf eine veränderte globale Situation zu reagieren. Was allerdings auf diese politische Revolution folgte, war ein in weiten Teilen kompletter wirtschaftlicher Zusammenbruch, der lange Zeit ein Nachbau West-Versuch war, und eine bis heute anhaltende Suche nach einer neuen wirtschaftlichen und darüber hinaus vor allem kulturellen Basis einer post-fordistischen Stadt.

In einschlägigen Demografie-Rankings belegt die Prignitz und insbesondere die Stadt Wittenberge stabil einen der letzten Plätze. Angefeuert wird dieser Demografie- Diskurs durch eine Massenauswanderungsbewegung parallel zum Zusammenbruch der industriellen Strukturen. Die Menschen, die sich im Industrialismus des 20. Jahrhunderts zu Hause fühlten, sind den wandernden industriellen Strukturen hinterhergezogen. Bemerkenswert daran ist, dass auch dieser Wanderungsprozess nicht erst mit der Komplettimplosion einsetzte, sondern ebenfalls im Laufe der 1980er Jahre an Fahrt aufnahm. In der Zeit zwischen Ende der 1970er bis Ende der 80er Jahre verlor Wittenberge mehr als zehn Prozent seiner Bevölkerung, von 33.000 auf 29.500 Einwohner.

Was zunächst wie ein schleichender Niedergang aussah, gewann 1990 und 1991 rapide an Fahrt. Innerhalb weniger Monate schlossen die drei größten Unternehmen. Dabei nahm und nimmt das Ende des Veritas-, ehemals Singer-Nähmaschinenwerks mit ehemals 3.200 Beschäftigten eine besondere Stellung ein. Singer/Veritas hat die Stadt geprägt, hat die Stadt schon früh ins Geflecht globaler Arbeitsteilung integriert (Singer Manufacturing Co. war ein amerikanisches Unternehmen, dass 1902 die Grundstücke für den Aufbau eines Unternehmens in Deutschland erwarb) und Veritas galt zum Ende der DDR als eines der modernsten Nähmaschinenunternehmen Europas. Dass die Zellwollewerke, von denen eine ökologische Bedrohung ausging, und die nicht marktbereite Ölmühle geschlossen wurden, erschien hart aber unausweichlich. Dass auch Veritas kein Neustart gelang, stattdessen an windige Investoren verkauft wurde, trägt nicht unwesentlich zu einer Blockadehaltung des gesamten Umbruchsprozesses bei und nimmt bisweilen mystische Züge an. Insgesamt wird in der Stadt davon ausgegangen, dass Anfang der 1990er Jahre bis zu 10.000 Industriearbeitsplätze verloren gegangen sein müssen. [...]


 
Nikita Alexeev
Nach Moskau
Russland ist eine Chimäre, Moskau deren Gesicht
 
Levente Polyák
Einheitliche Zersplitterung
Finden und Erinnern in den verworrenen Städten Mitteleuropas
 
Bianca Tavolari
Leerstand
Zu den aktuellen sozialen Kämpfen um die Stadt in São Paulo
 
Nina Brodowski
Provincializing Humboldt
Der Diskurs um den Berliner Schlossplatz als gesellschaftspolitischer Gradmesser
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Wie Kassel in den 80ern<
 
Arno Brandlhuber/Anna-Catharina Gebbers
Collage City
Von Ordos nach Berlin: Die Stadt als Fragment
 
Vera Tollmann
Bildschirm-Realität
Ăśber den zentralen Platz in der Planstadt Ordos, China
 
Johannes von Weizsäcker
Mein halbes Jahr: >Musik<
Sebadoh – Pink Mountain Tops – Nissenenmondai – Chris Corsano
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr: >Film<
Das Leben ist eine Baustelle – Männerherzen 1 & 2 – Fenster zum Sommer – What a Man – Rubbeldiekatz



UMGEHUNG

 
Anna Sailer/Anna-Catharina Gebbers/Judith Karcher/ Peter Siller
>Literatur spezial: Stadt, Land, Flucht<
Josef Bierbichler – Jan Brandt – Katharina Hacker – Peter Kurzeck – Andreas Maier – Moritz von Uslar
 
FĂĽsun TĂĽretken
Fluchtlinien entlang 9/11
Episoden I bis III
 
Franziska Werner/ Mark Thomann
Berlin del Mar
RĂĽckblick auf eine kĂĽnstlerische Stadtintervention
 
Susann Neuenfeldt/Simon Strick
Hallo Karthago/Hallo Rom: >Das Versprechen<
 
Martin Saar
Bildpolitik: >Besetzung<



SCHÖNHEITEN

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