





polar #12: Eine für alle
EDITORIAL
VERSAMMLUNG
ZERSPLITTERUNG
LoĂŻc Wacquant Ethnische SchlieĂźung Eine soziologische Spezifikation des Ghettos
| Interview Geoff Dench »Revival der Community«
| Andreas Willisch Kleine Stadt, große Häuser Von der Industriestadt zur Transfergesellschaft
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Nikita AlexeevNach MoskauRussland ist eine Chimäre, Moskau deren Gesicht | Im Laufe von knapp mehr als hundert Jahren hat die Stadt Moskau vier Perioden erlebt, in denen sich ihr Äußeres sowohl architektonisch wie auch auf der Ebene öffentlicher Zeichensetzungen gänzlich verändert hat. Ende des 19. Jahrhunderts begann die erste Periode und dauerte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, die zweite von den 1930er- bis in die 1950er-Jahre. Die dritte Epoche der Umwälzungen im Stadtraum Moskaus lässt sich in den 1960er- bis 1970er-Jahren ausmachen. Der bis dato letzte Abschnitt dieser kardinalen Umgestaltungen schließlich begann Ende der 1980er-Jahre und dauert bis heute an. Sinn und Qualität dieses Wandels hatten innerhalb dieser Zeiträume einen vollkommen unterschiedlichen Charakter, auch wenn sich einige verschwommene Ähnlichkeiten zwischen der ersten und der letzten Periode feststellen lassen.
Vorwärts zum Sieg Ende des vorletzten Jahrhunderts begann Moskau, mit der sich stürmisch entwickelnden Wirtschaft und der ungestümen Europäisierung Russlands im Hintergrund – größtenteils immer noch niedrig gebaut und in vielen Hinsichten sein patriarchalisches Äußere beibehaltend, die Gesichtszüge einer modernen europäischen Hauptstadt anzunehmen. Unmengen von Wohn- und Bürohäusern wuchsen empor, die zwar einige typisch russische stilistische Besonderheiten aufwiesen, im Kern jedoch eine lokale Variante des internationalen Art Nouveau und des Neoklassizismus dieser Zeit darstellten. Der öffentliche Verkehr der Stadt wurde in Fluss gebracht, riesige Fabrikgebäude errichtet.
Diese Entwicklung wurde durch die Revolution im Jahr 1917 unterbrochen. In den nachfolgenden Jahren, als wesentliche Vertreter der Architekturströmungen des Konstruktivismus und des Rationalismus tätig waren, welche eine kolossale Rolle in der Entwicklung des architektonischen Denkens des 20. Jahrhunderts insgesamt gespielt haben, wurde in Moskau relativ wenig gebaut. Der Grund dafür lässt sich einfach nachvollziehen: Die wirtschaftlichen Bedingungen in der durch Krieg und Revolution zerstörten Sowjetunion ließen keine Möglichkeiten für die Verwirklichung großer Projekte zu. Häufig allerdings waren auch diese visionären Projekte selbst dermaßen utopisch, dass sie mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln gar nicht zu verwirklichen gewesen wären. Doch während sich Moskau in den 1920er-Jahren im architektonischen Sinn kaum verändert hat, so ereigneten sich in sozialer Hinsicht katastrophale Veränderungen. Die traditionelle Lebensweise wurde zerstört, komfortable Bourgeois-Wohnungen verwandelten sich in Ameisenhaufen von Komunalkas. Nach Moskau strömte eine Sturzflut ehemaliger DorfbewohnerInnen, welche die Codes des Stadtlebens nicht verstehen konnten; Menschen, die »nicht einmal mit einer Straßenbahn fahren konnten«. Die Konturen der Stadt und des urbanen Lebens fingen an, auf dem unsicheren Boden, auf dem sie errichtet waren, zu verschwimmen. [...] |

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