Liebe Leserin, Lieber Leser,Ökonomie bestimmt unser Leben. Nicht mehr nur Wohlstand und seine Verteilung, Vorstandsabfindung oder Hartz IV, auch Gesundheit, Bildung und Kunst sind »ökonomisiert«. Aber Ökonomie wird kaum als politische Frage begriffen. Manager steuern, evaluieren und verbessern. Volkswirte analysieren. Der Sachzwang regiert. Die politische Ökonomie ist tot. Es lebe die politische Ökonomie!
Der Kapitalismus wandelt sich rasend - und damit auch die Formen seiner Kritik. Wie lässt sich diese Transformation beschreiben? Für Luc Boltanski betritt neben der Sozialkritik der Arbeiterbewegung die »Künstlerkritik« die gesellschaftliche Bühne. Wenn das Leben zum »Projekt« wird, steht nicht mehr nur die Gerechtigkeit sozioökonomischer Verteilung zur Disposition, sondern die individuelle Autonomie selbst. Kann die Politik auch diesen Wandel noch gestalten? Nach Hartmut Rosa muss die Demokratie ihre Legitimität unter den Bedingungen ökonomischer Beschleunigung neu erweisen.
Ökonomie ist global und existiert nur im Plural. Die wirtschaftliche Explosion Chinas und Indiens ist in aller Munde. Aber wie verläuft die Transformation anderer Regionen? Argentinien entwirft sich nach der Wirtschaftskrise neu. Im Sudan entladen sich ökonomische Konflikte in offener Gewalt.
Selbst die Liebe entkommt nicht der Logik des Marktes. Nach Eva Illouz entfaltet der Konsum gerade in der Romantik seine perverse Macht und Schönheit. Liebe ohne Konsum wäre grau und leer. Gleichzeitig wird die Warenwelt romantisiert. Liebe verkauft Waschmittel, Autos und Versicherungspolicen.
Wolfgang Tillmans offenbart in seiner Bildstrecke die Zerbrechlichkeit dieser Warenwelt. Ron Winkler sondiert in seinen lyrischen »Testläufen« die Ökonomie der Sprache. In den Bildern Gosbert Adlers verselbständigen sich Details zu Gegenökonomien.
Für die Redaktion
Peter Siller, Bertram Keller