Eine bitterkalte Nacht vor ein paar Jahren in Berlin. Wir liefen durch die tiefen Straßenschluchten von Kreuzberg, hatten mit dem Irdischen gerade Mal nichts mehr gemein und nur das schwefelgelbe Leuchten der Laternen wies uns Abgefüllten noch den Weg. Von einem MP3-Player spielten wir uns gegenseitig Musik vor. Irgendwelche Musik war es zu Beginn. DAS aber war etwas gänzlich anderes. Es war so wie die Liebe auf den ersten Blick. Es waren die ersten Takte des ersten Albums der Band The Libertines. Das Raue, das Schmutzige, das Subversive in der Stimme von Pete Doherty brannte sich sofort in meine Ohren, in meine Gehörgänge ein. Die poetischen Texte ließen meine Gedanken nicht mehr in Ruhe. Es sind Songs voller Leidenschaft, Geschrei, Verzweiflung, Liebe, Suche nach dem Jetzt, dem Gestrigen und Zukünftigen - ohne vorlaut Antworten in die Welt zu posaunen und mit halbmoralischen, politischen Statements zu kommen, die nichts bedeuten, aber alles wollen.
Pete Doherty will kein Gutmensch sein. Pete Doherty ist ein Ganove, ein kleiner Chaot. Das ist auch der Name der Babyshambles, mit denen er seit 2004, seit der Trennung der Libertines, Musik macht. Deren erstes Album „Down in Albion" wird in meine persönliche Musikgeschichte eingehen. So wie mir mein Vater die Stones vorgespielt hat, werde auch ich diese Musik nicht vergessen können. Sie begleitet mich, wenn ich an nichts mehr glaube, wenn ich mich verlassen fühle, wenn ich hoffnungslos verliebt bin oder das tiefste Glück empfinde, und wenn meine Klamotten nach Club, Zigaretten und Alkohol riechen. Die Musik Dohertys ist immer da. All das, was um ihn herum passiert, die Drogen, „Skandale", Kate Moss sind Folien für viele Sehnsüchte, Träume und Ansprüche, die wir an Rockstars stellen: Bloß kein Mittelmaß. Die sollen die Grenzgänge wagen, vor denen wir gewarnt werden wollen. Das ist der Deal. Babyshambles hören, heißt dem Absturz, dem Exzess, der Nadelspitze nahe zu sein. Doherty ist schmutzige Poesie. Nichts für Schöngeister. Fuck forever!
Babyshambles, Down in Albion, Rough Trade (18. November 2005)