Wenn es im Kino so etwas wie einen christlichen Kommunismus gibt, dann sind die Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne seine wichtigsten Propagandisten. Zwei Motive ziehen sich durch ihre Filme, ein sozialkritisches und ein versöhnendes. Das harte Leben und die Vereinzelung im modernen Kapitalismus werden von ihnen wie in soziologischen Studien beschrieben. Die belgische Stadt Seraing bildet in allen Filmen den Schauplatz ihrer Feldforschungen.In ihrem letzten Film L'enfant von 2005, ist ihnen die Darstellung des sozialkritischen Aspekts vielleicht am eindrücklichsten gelungen: Bruno verkauft seinen Sohn, den Sonia gerade geboren hat. Er begreift nicht, warum sie sich so aufregt. Schließlich können sie ja jederzeit ein neues Kind machen, sagt er. Jetzt ist das Geld wichtiger. Solch gradlinige Stories sind das Material, auf denen die Dardennes ihr christlich anmutendes Versöhnungsmotiv gründen. So wie Sonia Bruno verzeiht, der seine Verfehlung einsieht und das Kind tatsächlich wieder auslösen kann, so nimmt der Schreiner Olivier in Le Fils von 2002 den jugendlichen Mörder seines eigenen Sohnes unter seine Fittiche. Die Botschaft lautet: Wir brauchen andere, um im Leben klar zu kommen. Solidarität statt Einzelkampf.
Auch in Rosetta (1999) wird das Sendungsbewusstsein der Dardennes deutlich. Rosetta kämpft um ein normales Leben. Oder vielmehr um das, was sie dafür hält. Die Mutter, mit der sie in einem Wohnwagen haust, hat sich aufgegeben, Rosetta aber hat ihren Stolz. Sie ist noch jung - und naiv. Sie will sich alles selbst erarbeiten. Überhaupt, Arbeit. Die hat sie gerade verloren und sie versucht verzweifelt, wieder welche zu finden. Einmal fällt Riquet, ihr vermeintlicher Freund, in einen Teich und droht im Schlick zu versinken. Doch Riquet hat einen Job und den hätte Rosetta gerne. So zögert sie - nur einen Moment - ihn aus dem Wasser zu ziehen. Stattdessen wird sie ihn später verraten, dem Chef seine kleinen Betrügereien ausplaudern. Jetzt hat sie Arbeit, aber keinen Freund. Am Ende kündigt Rosetta ihren Job, um ihre Mutter zu pflegen. Sie schleppt eine Gaskartusche zum Wohnwagen. Die ist schwer, sehr schwer. Und dann taucht auch noch Riquet auf, der sie wie ein schlechtes Gewissen auf dem Mofa umkreist. Sie stürzt und endlich gibt sie ihren Kämpferstolz auf und zeigt Regung: Sie weint. Riquet hilft ihr auf.
Filme von Jean-Pierre und Luc Dardenne: Falsch (1986); Ich denke an euch (1992); Das Versprechen (1996); Rosetta (1999); Der Sohn (2002); Das Kind (2005)