





polar #7: Ohne Orte
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Arnd Pollmann Tyrannei der Schönheit Demokratie als Beauty-Farm: Tocqueville, Vian und die ästhetische Chirurgie
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Oliver KohnsRot/WeißNachbarschaft, Rassismus, Völkermord: John Hustons The Unforgiven | Ein Film über Demokratie ist The Unforgiven (USA 1960, dt.: Denen man nicht vergibt) nicht. Aber es ist ein Film über Rassenhass, Völkermord und darüber, wie die ihrem Anspruch nach weltweit vorbildliche Demokratie der Vereinigten Staaten von Amerika ihre blutige Geschichte verdrängen konnte. Im Jahr 1960 – als politischer Kontext ist der Sieg über Nazi-Deutschland sowie der Kalte Krieg vorzustellen, von den USA geführt im Namen von Demokratie und Freiheit – zeichnet John Hustons Film ein verstörendes Bild von der Geschichte des Landes: Die Auseinandersetzung zwischen »Weißen« und »Roten« in THE UNFORGIVEN ist ein blutiger Völkermord an den »Indianern«. Die Handlung: Ein seltsamer alter Mann, Abe Kelsey, bedroht das anfangs idyllische Leben der Familie Zachary durch seine Aussage, die Tochter des Hauses, Rachel (Audrey Hepburn), sei eine als Säugling aufgelesene Indianerin. Rachels Mutter tötet Kelsey, weil er – wie sie später einräumt – die Wahrheit gesagt hat. Nachdem ein Angriff der Kiowas abgewehrt wurde, ist der Weg frei für Rachels Hochzeit mit dem Adoptivbruder Ben (Burt Lancaster). Der Film inszeniert die jeder politischen Ordnung vorgeordnete Frage: Wer ist Teil des Sozialen? Das Freund-Feind-Schema der Siedler – die »Roten« müssen sterben, damit die Welt der »Weißen« eine neue wird – gerät außer Kontrolle, als Rachels Identität zweifelhaft wird; die Nachbarn und der Bruder Cash gehen auf Distanz. Abgründe werden sichtbar: der Massenmord an dem Indianerclan, dem Rachel entstammt (»We killed / and we killed / and we had to lay down tired of the killing«, erinnert sich der alte Mann), das quasi-inzestuöse Begehren zwischen Rachel und Ben, der Mord Rachels an ihrem leiblichen Bruder, die Tötung des letzten Zeugens der Familiengeschichte. Zur prekären Sichtbarkeit der ethnischen Identität Rachels passt, dass Audrey Hepburn keineswegs wie eine Indianerin aussieht, eher wie die bezaubernde Natascha aus War and Peace, die sie 1956 spielte: Die Darstellung des Mords an Amerikas Ureinwohnern kommt ohne diese aus. John Hustons Film übernimmt gewissermaßen die Rolle, die im Film der unheimliche alte Mann spielt: Er erinnert an das Blut, das vergossen und vergessen wurde, um die Ordnung der Gegenwart zu errichten.
The Unforgiven USA 1960 Regie: John Huston; Darsteller Burt Lancaster, Adrey Hepburn
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