





polar #7: Ohne Orte
EDITORIAL
KURS
KAMPF
KONVENT
Anna-Catharina Gebbers Der Agora-Effekt Von der neuen Zusammenkunft in der Kunst
| Paula Marie Hildebrandt Die Politikflüsterer Vom Mehrwert des Unverwertbaren
| Interview Rita Thiele »Künstlerische Begabung ist kein Gut, das demokratisch verteilt wird«
| Bonnie Honig Die Chancen der Demokratie Slumdog Millionaire und die Logik des globalen Kapitalismus
| Stephan Ertner Gehorsam und Auseinandersetzung Demokratie als Aufgabe der Schulentwicklung
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Martin SaarBildpolitik: >Ort der Demokratie< | Wenn die Demokratie wirklich die Herrschaft des Volkes ist, hat sie nicht einen, sondern viele Orte: Sie ist überall, wo das Volk ist. Dass die Institutionen der Demokratie Plätze und Gebäude brauchen und damit Distanzen und Hürden zwischen den gerade an der Selbstregierung aktiv beteiligten Teil und den Rest des Volkes bringen, ist keine Frage des Machtverlusts, sondern der Arbeitsteilung. Die Abgeordneten wissen, dass sie nicht gekommen sind, um zu bleiben, weil ihnen ihre Sitze nicht mehr zustehen als allen anderen, die sie nach dem Willen des Volkes einnehmen könnten. Dennoch stehen die Orte des demokratischen Staates trotz dieses utopischen Charakters immer irgendwo und nicht nirgends, und manchmal zieht die Demokratie auch weiter.
Die Stadt Bonn macht nach dem Regierungs- und Parlamentsumzug nach Berlin aus ihrer eigenen regionalen Not eine touristische Tugend. Die Besichtigung der ehemaligen Amtsgebäude sind in einen architektonisch und zeitgeschichtlich instruktiven »Weg der Demokratie« zusammengefasst, der an den außer Funktion geratenen Gedächtnis¬orten der »Bonner Republik« vorbeiführt. Bei der werbetechnischen Symbolisierung dieser mnemopolitischen Attraktion ergibt sich ein schlüssiges Bild der Dynamik des demokratischen Prozesses. Verschieden große heterogene Einheiten (Bürger?) formieren sich – wenn man, wie in unserer Bilderwelt üblich, von links nach rechts liest – zu größeren Gruppen in beunruhigend einheitlicher Ausrichtung (Parteien?) in einem strukturierten halbrunden Gefüge (einem Parlament?).
Aus dem Durcheinander des Volkes wird in diesem Bild die Übersichtlichkeit der Repräsentation ähnlicher Interessen, und sie verkörpert oder lokalisiert sich in den konkreten Institutionen, die der interessierte Besucher nun als rein museale Stätten in Augenschein nehmen kann. Das bildliche Auseinanderstreben der Punkte zeigt aber an, dass die geronnene Ordnung nicht von Dauer sein kann. Die Demokratie gleicht hier eher einem Teilchenbeschleuniger als einem Verwaltungsapparat; und ihre Energie und Fähigkeit, die Ordnung wieder durcheinanderzubringen, lässt sich an keinem Ort für immer einfangen: in Bonn nicht (mehr), aber auch in Berlin nie.
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| Ina Kerner Leben im Kapitalismus: >Demosex<
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SCHÖNHEITEN
Arnd Pollmann Tyrannei der Schönheit Demokratie als Beauty-Farm: Tocqueville, Vian und die ästhetische Chirurgie
| Oliver Kohns Rot/Weiß Nachbarschaft, Rassismus, Völkermord: John Hustons The Unforgiven
| Johannes Kambylis Das Steppenschwein Anarchische Kapriolen: Die Kronenklauer von F. K. Waechter und Bernd Eilert
| Susann Neuenfeldt/Simon Strick Die ewige Stadt Auf Bruch: Brecht/Müller in der JVA Tegel
| Christoph Raiser Wie dem auch sei Zeit für eine Neuauflage: Das Europäische Parlament
| Julia Roth Fragiler Sieg Abortion Democracy von Sarah Diehl
| Martin Roussel Eine gute Idee »Democracy don’t rule the world«: Dylans 83er-Album Infidels
| Daniel Ulbrich Blutwurst Herr Demos und seine Sklaven: Aristophanes’ Die Ritter
| Jens Friebe Hammer Auf verlorenem Posten: Im Baumarkt mit Slavoj Žižek
| Anja Höfer Nicht echt Talk to end all talk: Christoph Schlingensiefs Die Piloten
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