





polar #16: Kunst der Drastik
EDITORIAL
ZEIGEN
ZITTERN
ZURÜCKSCHLAGEN
Joanna Barck Die Macht des Bildes Zur Drastik des Undarstellbaren
|
 |
Marcus StigleggerAnatomie der AngstDario Argento als Meister der performativen Drastik | In den 1970er Jahren florierte das italienische Genrekino. Nach vorangehenden Wellen von Monumentalfilmen, Italo-Western und Gothic-Horrorfilmen konzentrierte sich eine jüngere Generation von Filmemachern auf harte Polizeifilme, Erotikkomödien und bizarre Thriller, die noch heute als gialli berühmt und berüchtigt sind. Drastische Momente sexualisierter Gewalt, genderübergreifende Maskeraden und aufwändige Kamerafahrten bestimmten einst auch das Hauptwerk eines jungen Filmemachers, dessen Name noch heute für eine spezifische und kaum verwechselbare Form performativer Drastik steht: Dario Argento.
Nähert man sich dem filmischen Werk des italienischen Regisseurs Dario Argento chronologisch, fallen unterschiedliche Schaffensphasen auf, die auf seine anfänglichen Karrieren als Filmkritiker und Drehbuchautor folgten. Da Argento einer Familie von Filmschaffenden entstammt, gelang es ihm bereits 1969, seinen Debütfilm Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe (L'uccello dalle piume di cristallo) zu inszenieren. Er leitete - die wenn man so will - ›unschuldige‹ Phase des klassischen Giallo-Thrillers ein, der den Spuren von Mario Bavas Thrillern und den deutschen Edgar-Wallce-Verfilmungen folgte. Argento bleib den Tiermetaphern treu und vollendete seine Giallo-Trilogie mit Die neunschwänzige Katze (Il gatto a nove code, 1970) und Vier Fliegen auf grauem Samt (4 mosche di velluto grigio, 1971). Während der erste Film noch einer klassischen Spannungsdramaturgie folgte, die auf dem Roman The Screaming Mimi von Frederic Brown basierte, entstanden die beiden folgenden Filme nach Originaldrehbüchern und stellen obskurere Erklärungsmuster ins Zentrum: im zweiten Film geht es um ein »Killer-Chromosom« namens XYY, im dritten Film um eine Kamera, die den letzten Bildeindruck auf der Netzhaut eines Verstorbenen sichtbar macht.
Nach dem internationalen Erfolg dieser ungewöhnlichen Trilogie strebte Argento nach einer Neuorientierung und versuchte sich an einem historischen Stoff: Mit Die Halunken (Le cinque giornate, 1973) drehte er eine historische Abenteuerkomödie. Der Film bezieht sich auf einen linken Volksaufstand im März 1848 in Mailand: Die österreichischen Besatzungstruppen werden temporär zum Rückzug gezwungen. Während dieser fünf Tage des Aufstands geraten zwei Gelegenheitsdiebe zwischen die Fronten. Der Film versuchte, den schwarzen Humor des Italo-Western mit der lockeren und erotischen italienischen Komödie sowie blutigen Actionszenen zu verbinden. Doch schon 1975 kehrte Argento zum Giallo-Thriller zurück, reflektierte das Genre jedoch auf einer Metaebene: Rosso - Farbe des Todes (Profondo rosso) ist deutlich inspiriert durch Michelangelo Antonionis Blow Up (1966), der ebenfalls David Hemmings in der Hauptrolle besetzt. In beiden Filmen hat er mit seinem Bildgedächtnis zu kämpfen, das die Auflösung eines Kriminalfalles verspricht. Durch avancierte audiovisuelle Stilismen dominiert in Profondo Rosso endgültig der Stil die Erzählung und lässt die performative Qualität Argentos in den Fokus treten. Seine Stärke ist die Atmosphäre, der innovative Umgang mit Licht, die Entfesselung der Kamera und der mitunter kontrapunktische Einsatz von Sound und Musik. [...]
|
SCHÖNHEITEN
Lars-Olav Beier Auge um Auge Hinsehen müssen: Luis Buñuels und Salvador Dalís Der andalusische Hund
| Leo Lencsés Exorzismus der Erinnerung Gleichmacherei der Gewalt: Álex de la Iglesias Balada triste de trompeta
| Thomas Schramme Mann ohne Unterleib Differente Lebensweisen: Tod Brownings Freaks
| Christoph Raiser Was das Zeug hält Vier Bände Gehacktes: Milo Manaras und Alejandro Jodorowskys Die Borgia
| Sebastian Dörfler Exzess und Fortschritt Mehr als Triebe: Dietmar Daths Die salzweißen Augen
| Tilman Vogt Kein Schauer Bombe im Fabergé-Ei: Jeronimo Voss’ Phantasmagorical Horizon
| Patrick Thor Moderne Mythen »We need to follow him«: Nicolas W. Refns Valhalla Rising
| Elias Kreuzmair Kein Kannibale Aus dem Nichts: Der letzte Satz von Christian Krachts 1979
| Christian Meskó Pure Unterhaltung Folterknechte als Helden: Maja Bächlers Inszenierte Bedrohung
| Stefan Huster Krass Gescheitert Utopie der Geschichtslosigkeit: Bernardo Bertoluccis Der letzte Tango in Paris
|
|

nach oben

|
|
 |
|