Findet ein melancholischer Schlägertrupp in einem Stadtpark von Basel im Gebüsch so etwas wie ein schwules Liebespaar. »›Wir wollen mit euch reden‹, sagte der Große. Er warf seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus. ›Wenn ihr einverstanden seid, jedenfalls. Habt ihr Lust, mit uns zu reden? Seid ihr ein bisschen einsam?‹« Das Liebespaar besteht aus dem Enkel eines SS-Offiziers, der, weil er seinem Großvater nicht nachstehen will, eigene Ambitionen entwickelt hat, nämlich »Tröster der Juden« zu werden, zuerst an Awrommele, dem Sohn eines Rabbiners. Eben noch haben sie sich geschworen, sich zu lieben, ohne etwas dabei zu fühlen. Da kommen die Schläger, der Tröster läuft weg, der Jude bleibt verwundert und verwundet zurück.
Das Kunstwerk, hat Adorno geschrieben, »steht gespannt gegen das Entsetzen der Geschichte. Bald insistiert, bald vergißt es. [...] Die Unmenschlichkeit der Kunst muß die der Welt überbieten um des Menschlichen willen.« Ganz scheint man dem dialektischen Braten noch heute nicht zu trauen. Arnon Grünbergs Roman Der jüdische Messias wurde lange Zeit nicht ins Deutsche übersetzt. Und die eigentliche Unmenschlichkeit besteht tatsächlich darin, wie der niederländische Schriftsteller seinen Figuren jede Verbindung mit der Welt unmöglich macht. Er malt sie als hilflose Träger von Ängsten, Begierden und Vorstellungen, zwischen denen nichts als harte Kontraste bestehen. Extrem unwahrscheinlich, dass sie jemals im eigentlichen Sinne miteinander sprechen. Und was sie als literarische Typen zu sagen haben, steht brutalstmöglich einfach da, in der unverbindlichsten Deutlichkeit, ohne sich um die Konventionen des Erzählens oder die Höflichkeitsregeln der geteilten Wirklichkeit zu scheren. Gerade deshalb ist natürlich Kommunikation das einzige Thema aller Grünberg-Romane. »›Ein gutes Gespräch muss von zwei Seiten kommen«, sagte der Große. [...] Er sah das Blut in Awrommeles Ohr und fragte sich, ob der Junge ihn noch hören konnte. Vielleicht war das Ohr ja vom Blut verstopft. Er war kein Experte auf dem Gebiet, darum sprach er langsam und deutlich: ›Wie Kierkegaard laut Camus sagt: ›Die sicherste Art nichts zu sagen, ist nicht das Schweigen, sondern das Sprechen.‹ Darum äußern wir uns mit unseren Füßen. [...] Weise die Freundschaft unserer Füße nicht von dir.‹ [...] Ein Jungenknochen ist schnell gebrochen, vor allem wenn man ein bisschen verspielt ist. Es beginnt als ein Spaß - schon bricht der Knochen. Die Sprache der Füße und Schuhe ist herrlich, wenn auch sehr rudimentär.« [...]
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