Wenn die Zensur nicht offensichtlich sinistren Machenschaften dient - etwa dem Erhalt der Macht einer üblen Clique -, will sie ja nur das Beste: der Verwahrlosung der Jugend vorbeugen, die Grundlagen des Zusammenlebens vor Gefährdungen bewahren, den öffentlichen Frieden sowie Anstand und Moral schützen. Und es kann durchaus sein, dass eine gut aufgestellte Zensurbehörde die richtigen Äußerungen erwischt: das Dumme, Falsche, Ungerechte, Diskriminierende und Ekelhafte. Manchmal wird es gewiss umstritten sein, wie eine Äußerung zu bewerten ist, aber es gibt auch klare Fälle. Und doch ist die Zensur selbst dann, wenn sie sich auf diese klaren Fälle beschränkt, ein Unding. Sie lebt nämlich von einer Ideologie der Unmündigkeit und Verführbarkeit. Warum müssten wir uns sonst gegenüber dem offensichtlich Dummen und Falschen schützen lassen? Es ist doch gut als solches erkennbar und kann ignoriert oder ausgelacht werden. Genau dies traut uns die Zensur aber nicht zu. Sie behandelt uns wie kleine Kinder, die auf jeden Unsinn hereinfallen. Manchmal sind wird das ja auch: Wir glauben großen Quatsch und treffen offensichtlich falsche Entscheidungen. Aber ein Leben, in dem von unsichtbarer Hand alle schädlichen Einflüsse und Einflüsterungen ferngehalten werden, mag man sich gar nicht vorstellen. Wir wissen schon selbst, was gut und schlecht ist. Und wenn wir uns vertun, haben wir den Fehler wenigstens selbst gemacht. Stefan Huster
Wir haben oft ein gespaltenes Verhältnis zur staatlichen »Begutachtung von Druckerzeugnissen«: Viele sind direkt für Zensur, wenn rechtsradikale Kampfschriften auf den Index sollen, aber gegen Zensuren, wenn es um die Hausaufgaben ihrer Kleinen geht. Man könnte protestieren: Was, bitte, hat das eine mit dem anderen zu tun? Doch in beiden Fällen geht es um Einschüchterung, sozialverträgliche Konformität und den Kampf gegen geistige Devianz: Nicht nur Neonazi-Songtexte, auch schulische Leistungen können offenbar »jugendgefährdend« sein. Dabei spricht auch historisch vieles dafür, dass politische Zensurbedürfnisse stets Ausdruck einer Gesellschaft sind, die ihren eigenen Immunkräften misstraut. Und schon John Stuart Mill spottete, dass seine aufgeklärten Zeitgenossen allesamt für die freie Rede seien, aber doch sogleich protestierten, wenn diese »auf die Spitze getrieben« werde. Das Gegenteil von Zensur, so Mill, wäre konsequente Meinungsfreiheit. Und die kennt weder rechts noch links. Arnd Pollmann
Du sollst, du sollst nicht. Fingerzeige und Maßregelungen gehören zur geistigen Grundausstattung einer Linken, die frohgemut Grenzen zieht, um mögliche Gefahren einzuhegen. An dieser selbstverordneten Sozialhygiene nahmen Konservative stets Anstoß. Zum Beispiel, als sprachpolitische Eingriffe in den USA an die Stelle meritokratischer Glücksversprechen traten. Doch Zensur im Sinne der »Political Correctness« zu verteufeln, ist vergleichsweise leicht. Sie im Einzelfall zu begründen, erfordert mehr, nämlich die Beweisführung, dass alle anderen Appelle und Strategien zur Verbesserung der Lage nicht greifen. Konservative sind häufig bequem: Im grellen Sonnenlicht des Querdenkertums, das einerseits die freiheitliche Entfaltung des Individuums einfordert, diese aber andererseits für andere Menschen nicht zu sichern anstrebt, bleibt der Blick auf die eigene Lust an der Beschränkung verborgen. Du kannst, musst es nur wollen. Jan Engelmann
Wenn die Produktion von Bildern (Kinderpornografie) oder Zeichen (Nazi-Propaganda) Menschen schwere Verletzungen zufügt und entsprechend Straftatbestände erfüllt, ist das staatliche Verbot der Weitergabe die logische Konsequenz. Wie Menschen mit ihren Zeugnissen ausgelöscht werden, wissen wir. Doch auch die Idee, man müsse mündige Menschen vor der Sichtbarkeit des Bösen, Falschen oder Hässlichen bewahren, beruht gleich auf mehreren Fehlschlüssen. Als würde es nicht existieren, wenn man es unsichtbar hält. Als ließe es sich befragen, wenn man es unsichtbar hält. Als könnten wir es besiegen, wenn man es unsichtbar hält. Aufklärung heißt: Ans Licht holen. Die aufklärerische Chance, dass wir die Dinge im Licht besser erkennen und trennen können, dürfen wir uns von der Zensur nicht verbauen lassen. (Deshalb brauchen wir übrigens nicht nur böse Figuren, sondern auch schlechte Kunst.) In dieser Frage gilt zudem, was in vielen politischen Diskursen zu beachten ist: Mündige Bürger sind keine Kinder, auch wenn sie sich manchmal so benehmen. Deshalb entfaltet das gerne angeführte Argument des Schutzes von Kindern und Jugendlichen keine normative Kraft, es sei denn, diese sind auch wirklich gemeint. Peter Siller
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