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Michael JahnGott kann die Uhr nicht lesenĂśber den Krieg im Himmel in John Miltons Paradise Lost |
Was, wenn Chaos zur herrschenden Logik mutiert? In der Bibel ist der Krieg der Engel nur eine Randnotiz, in der Literaturgeschichte dagegen ein Klassiker. John Milton beschreibt ihn als dreitägige Schlacht, die zum emotionalen Urknall des Universums wird, zur Geburtsstunde des Sinnlichen. In einem Gemetzel jenseits aller Verhältnismäßigkeit erkennen Satan und Co. die Schönheit der Schöpfung und sich selbst. Dieser drastische Akt der Selbsterfahrung fasziniert bis heute.
Mit Uhren ist der Start holprig. Wer erinnert sich nicht daran, wie sie oder er gelernt hat, die Zeit auf beblümten Pappen mit Plastikzeigern einzustellen? Sicher, aller Anfang ist schwer. Frust ist vorprogrammiert. Vielleicht hat der ein oder andere im Vorschulalter seine Übungsuhr auch einmal wütend durch den Raum geworfen. Aber was, wenn aus der Unfähigkeit heraus, die Uhr zu lesen, gleich ein Krieg inszeniert wird? Das ließe auf einen schwierigen Charakter schließen.
Wie so oft, ist das gleichwohl eine Frage der Perspektive: Eine drastische Reaktion kann genauso gut nur logische Konsequenz sein. In der Regel gibt es immer eine Eskalationsstufe, die das Außergewöhnliche, das Unverhältnismäßige in das Licht der Nachvollziehbarkeit stellt.
Weil er mit Chronologie nichts anfangen kann, facht Gott in John Miltons Paradise Lost einen Krieg unter seinen Engeln an. Die drei Tage dauernde Schlacht wird zur denkbar drastischsten Ersatzhandlung. Oder auch nur zur logischen Konsequenz der freiheitlichen Schöpfung. Es kommt darauf an, ob Gott hier nicht nur das uninteressierte Kind vor der Übungsuhr ist, sondern zugleich Zeiger, Tisch und Pappe.
Satan, Gott der Herzen Milton veröffentlichte Paradise Lost 1667 als Heldenepos in der Tradition Vergils und Homers. Es ist eines der berühmtesten Werke der englischen Literaturgeschichte. Bis heute gilt das Gedicht im Blankvers - mit seinen insgesamt 12 Büchern - als ebenso spektakulär wie umstritten. Die Referenzen in der Populärkultur sind zahlreich: Das Kino ist voll von Devil-Gentlemen, die in Miltons Satan ihren Urahn haben. Metal-Bands widmen dem Thema ganze Songzyklen (Cradle of Filth), benennen ihre Alben (Symphony X) oder gar sich selbst nach Paradise Lost. Im Berliner Dom gab es das Werk 2003 als Opernbearbeitung zu sehen. [...]
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