polar #16: Kunst der Drastik
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Redaktionsgespräch Jan Engelmann/Arnd Pollmann »Besonders scharf, damit es brennt«
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| Gespräch Thomas Scheibitz/Bernd Heusinger »In seiner Heftigkeit unerwartet«
| Michael Jahn Gott kann die Uhr nicht lesen Ăśber den Krieg im Himmel in John Miltons Paradise Lost
| Jörg Trempler Blutrünstige Kunst Über die immersive Kraft von Bildern um 1800
| Ulf Schmidt Warum so brutal? Tom Fontanas TV-Serie OZ und Dantes Göttliche Komödie
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Anna-Catharina GebbersAn den Rändern des DenkbarenĂśber die Kunst der ErschĂĽtterung | Drastische Kunst erschüttert und regt auf. Sie bewegt sich mitunter außerhalb des künstlerischen und sozialen Rahmens, der Kunst üblicherweise zugestanden wird, der sie legitimiert, der sie politisch immunisieren soll und diskurskompatibel macht. Möglicherweise funktionieren Kategorien nicht mehr, die automatisch Antworten liefern auf Fragen wie: Was ist gut, was ist schlecht? Darf man das? In jedem Fall setzen bei drastischer Kunst die gängigen Abläufe der Wahrnehmung und des Denkens gehörig aus.
Ein Bestseller der Ästhetik der Drastik ist bereits in der Antike von Aristoteles mit dem in seiner Poetik formulierten Konzept der Katharsis geschrieben worden. Die griechische Wortherkunft drastikós, also »tatkräftig, wirksam«, zu drãn wie »tun, handeln« zeigt die etymologische Verwandtschaft zu Wörtern wie »Drama« oder »dramatisch«. Die Aufführung der Tragödie spricht die Affekte eleos und phobos an. Sie soll also Jammern und Schaudern hervorrufen. Die Affektenlehre selbst, in deren Tradition Aristoteles schreibt, kommt ohne belehrenden oder moralisierenden Impetus aus. Aristoteles schildert die Affektzustände kühl und objektiv als äußerlich wahrnehmbare Phänomene, die sich in krassen Formen wie Zittern, Beben, Haaresträuben, Zähneklappern äußern müssen, damit das Werk als gelungen gelten kann. Der beschriebene psychosomatische Ausdruck menschlicher Elementarempfindungen, in denen animalische Fluchtinstinkte fortleben, leitet Schwellenerfahrungen, Prozesse der Grenzüberschreitung und Zustände eines Zwischen der Liminalität ein.
Die kultisch-künstlerischen Übergangsriten im antiken Drama, die auf derartigen Affekten basierten, bezweckten freilich in der Konsequenz die kontrollierte Rückführung von einem außer Ordnung geratenen Zustand zu einem wieder normalen, die polis stabilisierenden Zustand - daher erklärt sich auch der normative Anspruch von Aristoteles' Poetik und ihre Stellung in seinen Schriften. Ganz anders die reritualisierten Extremformen des Theaters und der Performance wie Living Theatre oder Orgien-Mysterien-Theater in den 1960er Jahren: Sie zielten auf die Freisetzung vor-zivilisatorischer Triebschichten und gerade auf die Befreiung von einengenden sozialen Normen; durch drastische Rituale sollte ein kritischer Blick auf die Gesellschaft möglich werden. [...]
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| Ina Kerner Leben im Kapitalismus: >Bomben, Rauch und Irokesen<
| Susann Neuenfeldt/Simon Strick Hallo Karthago/Hallo Rom: >Krasser Traum<
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