Horaz, Kubrick, Nicholson, Baudelaire, Nietzsche, Benn, Bataille, Kafka, Sherman, Kane, Nitsch, Benetton - Die Drastik als künstlerische Strategie ermöglicht es, das immer nur verweisende Repräsentationssystem augenblicklich aufzuheben, um einen Moment der Präsenz zu etablieren.
Ein plötzliches Zuviel hat den Einbruch von Gefahr, Angst, Intensität, Schrecken und einem auf sich selbst zurückgeworfenen Gefühl der Existenz zu Folge. Der bloße Verweischarakter der Kunst kann so, und sei es für einen kurzen Umbruch, überwunden werden, das Künstliche der Kunst wird durchstoßen, um das Reale brutal aufscheinen zu lassen. Der Reflexionsapparat des Rezipienten wird ausgehebelt, um sofort seine Rekonstituierung unter anderen, krasseren Vorzeichen herbeizuführen. Die Wucht des Moments führt sozusagen zu einem Rebooten des Ich-Systems, der Schockmoment ist dabei aber Werkzeug zur Sensibilisierung des Subjekts, und nicht, wie man denken könnte - und wie es vom Zensurapparat gedacht wird -, zu seiner Vergröberung. Der Drastik wohnt so, im erzwungenen Freisetzen der Gedanken, ein utopisches Moment inne.
Lust und Ekel stehen in der Drastik hauchdünn nebeneinander und können ineinander umschlagen. Eine häufige Erscheinungsform ist dabei das zuviel Leben im Toten: Verwesung, Würmer, Maden, Zombies, Vampire verwirren unsere Begriffe von Leben und Tod. Drastisch erscheint aber auch die Tödlichkeit der Langeweile und die daraus entstehende, fehlgeleitete Aggression, etwa in Ulrich Seidls Filmen. Überhaupt erscheint die Drastik oft als Übersprungshandlung aus Leere und Langeweile heraus. Unsere Zeit ist so aufregend, dass man die Menschen eigentlich nur noch mit Langeweile schockieren kann (Beckett). Beckett überhaupt als der Autor, bei dem sich Langeweile und Drastik untrennbar verschränkt haben.
Entlegene und verschüttete Inhalte kommen in der Drastik zum Zug, bis hin zu kultischen Zusammenhängen, aztekischen Menschenopfern, die in der Verletzung, die das Drastische eben bedeutet, nachklingen. Die Gegenwart des Herrn bei der christlichen Wandlung (an sich ein Paradebeispiel für die Verwirrung der Wirklichkeitsebenen, die die Drastik nach sich zieht) wird etwa bei Beuys und Schlingensief in die Performances überführt: Der Künstler ist selbst immer anwesend und Medium aller Transformationen. Dietmar Dath sah die Drastik im Dienste der Aufklärung, was aber nur mit einer gewissen Verschmutzung des Impetus und Begriffs der Aufklärung zu haben ist. Die ästhetische Erfahrung der Drastik lässt sich besser mit dem Erhabenen kurzschließen. [...]
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