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polar #16: Kunst der Drastik




EDITORIAL

 
Peter Siller/Bertram Lomfeld
Editorial



ZEIGEN

 
Peter Siller
Politik der Drastik
30 Versuche ĂĽber die Sichtbarmachung des Furchtbaren
 
Thomas Melle
Vom Krassen
Präsenz statt Referenz
 
Martin Saar
Zu viel
Drastik und Affekt
 
Esteban Sanchino Martinez
Wirklichkeitserfahrung in der Massenkultur
Drastik als moderne Erlebnisweise
 
Oliver MĂĽller
Ontologische Verunsicherungen
Das Untote und die moderne Biomedizin
 
Carolin Emcke
Weil es sagbar ist
Haiti erzählen
 
Stefan Huster/Arnd Pollmann/ Jan Engelmann/Peter Siller
Ist es links? >Gegen Zensur<
 
Marie Schmidt
Mein halbes Jahr: >Literatur<
Arnon Grünberg – Herbert Achternbusch – Clemens J. Setz
 
Johannes von Weizsäcker
Mein halbes Jahr: >Musik<
Pharmakon – Clipping – Bernadette La Hengst – Opa – Heino – Deep Purple
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr: >Film<
12 Years a Slave – The Butler – noch einmal: Django Unchained



ZITTERN

 

Redaktionsgespräch Jan Engelmann/Arnd Pollmann

»Besonders scharf, damit es brennt«


Die Erscheinungsformen der Drastik sind vielfältig und abhängig vom Auge des Betrachters. Doch wovon reden wir hier eigentlich: von einer Ästhetik, einer Methode, einer Lebensform, einer politischen Praxis? Die polar-Redakteure Jan Engelmann und Arnd Pollmann versuchen sich an einer begrifflichen Tiefenbohrung ohne Stützbalken.

Jan Engelmann:
Was heute als grenzwertig oder grenzüberschreitend angesehen wird, kann übermorgen schon wieder ganz anders oder sogar harmlos wirken. Mit fallen da als erstes diese forcierten Jungenstreiche im Fernsehen ein. Nehmen wir Jackass oder heute Joko & Klaas. Das Neuartige an diesen Transgressionsversuchen könnte sein, dass willentlich krasse körperliche Überreaktionen in Kauf genommen und vor allem: gezeigt werden - bis einer heult, kotzt oder kommt. Was sind eigentlich die Kriterien für Drastik in der Unterhaltungsindustrie? Woran bemisst sich das?

Arnd Pollmann: Mir scheint, dass es hier zunächst einmal nur eine verlässliche Regel gibt: Die Grenzen müssen immer wieder expansiv verschoben und neu vermessen werden. Die Drastik hat einen Hang zur Selbstüberbietung. Das ist ihre Logik, aber auch ihr Fluch.

JE: Dabei fällt auf: Drastisch wird es häufig erst dann, wenn Körpersäfte fließen; also Blut, wie im Horrorgenre, oder Sperma, wie in der Pornoindustrie. Diese Flüssigkeiten haben vor allem die Funktion, die Darstellung zu beglaubigen, authentisch wirken zu lassen. Man kann das ganz gut auch an Dopingpraktiken festmachen, wo es eine graduelle Verschärfung gegeben hat. Doping wird erst dann drastisch und tadelnswert, wenn es zu Eigenblutzufuhr oder ekligen Panschereien mit Urin kommt.

AP: Was übrigens kein Wunder ist: Der Begriff leitet sich vom altgriechischen Wort drastikos her und bedeutet ursprünglich so viel wie »wirksam, durchgreifend«. In diesem frühen Sinn verwandte man das Wort als pharmakologische Kategorie für Arzneimittel, die gut wirkten.

Wie ein Fisch im sumpfigen Wasser
JE: Wenn du bei Wikipedia »Drastik« eingibst, wirst du mit der Autocomplete-Funktion direkt zu Abführmitteln weitergeleitet ...

AP: Ja, eben, das Drastische ist quasi ein Abführmittel, das durchschlägt. Und wenn man das ästhetisch verallgemeinert, dann geht es in der Unterhaltungsindustrie, aber auch in der Kunst vor allem um den Kampf gegen intellektuelle Verstopfung. Deshalb kommt es häufig buchstäblich zu Ausscheidungen. Dinge, die drastisch sind, setzen etwas in Bewegung, irgendetwas wird flüssig, wechselt den Aggregatzustand. Das fühlt sich an wie der Moment, in dem der Durchfall einsetzt.

JE: Und dann schießt es aus den Därmen, aus den Adern oder auch aus dem Samenleiter. Kommt da im Betrachter nicht immer auch die tiefenpsychologische Angst vor unkontrollierbaren Zustandsveränderungen des jeweils eigenen Körpers hinzu?

AP: Ganz klar, diese Inszenierungen zielen direkt ins Unbewusste und appellieren dort an die Urängste des analfixierten Individuums. Besonders das spätmoderne, intellektuelle Bürgertum hat ganze Biotope der Analfixierung herausgebildet: Splatterfilme, Gabbertechno, Regietheater. Hier kann man sich wie ein Fisch im sumpfigen Wasser fühlen, die eigene diffuse Furcht, sich zu verlieren, alles zu verlieren, sich aufzulösen, kontrolliert ausleben. [...]



 
Ekkehard Knörer
Das Urteil verschlagen
Harmony Korines Ă„sthetik des Drastischen
 
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Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Bomben, Rauch und Irokesen<
 
Susann Neuenfeldt/Simon Strick
Hallo Karthago/Hallo Rom: >Krasser Traum<



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