Der Wanderer in der Natur, verwandt dem Flaneur in der Stadt, sucht, Robert Walser hat’s gezeigt, Erkenntnis auf dem Weg. Walter Benjamins kurzer Prosatext In der Sonne, geschrieben im Sommer 1932 auf und über Ibiza, beschreibt einen Gang durch die mediterrane Landschaft, an dessen Ende die Erfahrung und Erkenntnis des Namens steht. Der fremde, einsame Wanderer kennt die Namen der siebzehn Arten von Feigen nicht, die es, wie es heißt, auf der Insel gibt. Stattdessen begegnet er, mit allen Sinnen und einiger geistiger Anstrengung, der Natur. Doch Körper und Geist, Sinne und Intellekt reichen für jene Erkenntnis nicht aus, die nur unwillkürlich und intentionslos erfahren werden kann und also in dem rauschhaften Zustand, in dem »sich seine Phantasie von ihm gelöst hat und, gegen jenen breiten Hang gelehnt, der in der Ferne seinen Weg begleitet, nach eignem Sinn auf ihm zu schalten anfängt.« Die Phantasie, die nichts und alles ändert, die der messianischen Zeit und also auch der Potentialität des Augenblicks verbunden ist, unterbricht den steten, eiligen Gang.
Ein magischer Moment, in dem »nichts bleibt und nichts verschwindet «, lässt die Namen auftauchen und das Bild, das ihre wahrnehmbare Erscheinung ist. Erfahrung und Erkenntnis des Namens als ein Vorgang in und gegen die Zeit: Wie das Ende der paradiesischen Einheit von Sprache und Schöpfung zugleich und allererst den Beginn der Geschichte bedeutet, so kann deren Lauf unterbrochen werden, wenn sich eine Konfiguration aus ihm löst, indem sie einem Moment des Erkennens – der Erstarrung im Bild, dem Auftauchen des Namens – verbunden ist. Eine solche Konfiguration aber wird Benjamin einige Jahre später dialektisches Bild nennen und so beschreibt der kurze ibizenkische Text nicht nur den Weg des Wanderers durch die Natur, sondern – aus unserer rückblickenden Sicht – gleichsam auch den Weg Benjamins vom Früh- ins Spätwerk, auf dem Theoreme, Begriffe und Figuren aufeinandertreffen, sich auf- und ablösen. Der Spaziergang als messianisches Paradigma beschrieben in einem Text, der die Bewegung aufhebt in ein Bild, das geronnen ist in der Schrift. |