Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #9: Fortschritt



EDITORIAL

 
Peter Siller, Bertram Keller
Editorial



AUFKLÄRUNG

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AUFBRUCH

 
Petra Hauffe/Judith Karcher
Stillstand ist der Tod
Worauf beruht das Postulat des steten Wachstums?
 
Isa Jahnke/Dorothea Voss-Dahm
Ambivalente Wirkungen
Digitale Demenz versus Kreativitätspotenziale
 
»Die Idee des Virtuellen ist zerplatzt«
Interview Geert Lovink
 
Justus SchĂĽtze
Power from the people
Energetischer Fortschritt fĂĽr alle
 
Rebecca Harms
Das WĂĽstenstromprojekt
Warum ökologischer und sozialer Fortschritt solare Großkraftwerke braucht
 
 

Neue Berliner Sprachkritik

Der wahre Text: >Krönung der Schöpfung<


Die jahrhundertlange Arbeit am Fortschritt wird dargestellt als gigantische Dummheit, der heute schleunigst Einhalt zu gebieten sei. Hier muss Einspruch erhoben werden! Wir haben die Erde nicht vergiftet, wir haben sie humanisiert. Und unser »Fußabdruck« ist ein fünftausendjähriges Projekt zur Beherrschung der Naturgewalten und Gestaltung unserer Umwelt, das weiter voranschreiten muss.

Die Forderung, sich immer und überall dem Diktat der Nachhaltigkeit zu unterwerfen, verhindert das Überdenken des Hergebrachten, unterbindet Kreativität und Fantasie und richtet sich gegen das Entwerfen und Erschaffen einer neuen Welt. Der Nachhaltigkeitsgedanke wirkt wie eine mentale Zwangsjacke. Von dieser sollten wir uns besser heute als morgen befreien.

Die eigentlich recht abstrakte Idee, die Natur sei eine Art Warenlager, das irgendwann leer geräumt sein werde, ist im Denken der westlichen Mittelschicht zu Beginn des 21. Jahrhunderts offenbar dennoch fest verankert. Wenn der Zeitpunkt gekommen sei, stünden unsere Enkelkinder dumm da. Dem ist nicht so. Wenn wir sie nur dazu ermutigen, sich das menschliche Wissen und Können anzueignen und es ad infinitum zu mehren, werden unsere Nachkommen keineswegs dumm, sondern wissender sein als wir.

Die nächste Stufe des Heraustretens aus der Natur erreichten wir mit der industriellen Revolution. Diese war nicht der Anfang der Ausbeutung der Natur, sondern der Anfang vom Ende der Ausbeutung. Sie markiert den Übergang von einer Menschheit, die noch recht weitgehend von dem lebte, was sie der Natur unmittelbar abgewinnen konnte, zu einer Menschheit, die ihren Wohlstand im Wesentlichen selbst schafft und damit nicht mehr wie das Tierreich in direkter Weise von der Umwelt abhängig ist. Natürliche Grenzen sind im 21. Jahrhundert keine Entschuldigung mehr für Armut. Wohlstand ist in globalem Maßstab machbar.

Die Idee, die Menschheit könne sich an die zurzeit diskutierten Veränderungen nicht anpassen – insbesondere durch technische Innovation –, ist eine Beleidigung für die Menschheit. Die Leute, die archaische Lösungen wie Windmühlen propagieren, sind die gleichen pessimistischen Misanthropen, die auch meinen, Thomas Malthus sei ein großer Prophet gewesen. Sie glauben wirklich, die Menschheit sei eine Pest auf der Erde. Dabei sind wir ihre Krönung.

Im 19. und im 20. Jahrhundert hat sich die Energiegewinnung jeweils versechzehnfacht. Seit 200 Jahren haben wir also eine Verdopplung alle 25 Jahre. Dieses Tempo beizubehalten darf heute wohl als mutige Forderung gelten.

Aufgrund der verbreiteten Wachstumsskepsis werden sich für ambitionierte und teure Konzepte, die Wirtschaftswachstum klar ins Zentrum rücken, auf absehbare Zeit schwerlich Wortführer oder politische Mehrheiten finden lassen. Nichtsdestotrotz ist es dringend notwendig, den gegenwärtigen Konsens zu brechen. Ansonsten werden wir uns damit abfinden müssen, dass wir – um nochmals mit den Worten des Bundespräsidenten zu sprechen – lernen werden, »mit weniger Verbrauch glücklich und zufrieden zu sein«.

(Aus verschiedenen Internet-Beiträgen in Novo Argumente, Die Achse des Guten und Weltwoche, die an Fortschritt und Aufklärung appellieren. Gesammelt und dokumentiert von Neue Berliner Sprachkritik.)


 
Jan Fuhse
Unsterblichkeit im Cyber-Space
Zur Konstruktion von technischem Fortschritt in der Science Fiction
 
Michael Makropoulos
Der Raum des Fortschritts
Architekturmoderne und Massenmotorisierung
 
»So einfach wie möglich«
Interview Arno Brandlhuber/Diébédo Francis Kéré
 
Arnd Pollmann
Ein schwacher Trost
Geschichtsphilosophie fĂĽr Fortgeschrittene
 
Alban Lefranc
Mein halbes Jahr >Literatur<
Lucilio Vanini – Samuel Beckett – Don DeLillo – Pierre Michon
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr >Film<
Lotería – Mammut - Sandkastenspiele
 
Christoph Raiser
Mein halbes Jahr >Musik<
Zola – DJ Mujava – Buraka Som Sistema – Bonde Do Role – Edu K



AUFGABE

 
Juliane Rebentisch
Wider die ästhetische Regression
Kunstkritik jenseits von Differenzfetischismus und Retro-Modernismus
 
Thomas Biebricher
Backbeat Revolution
Geschichte wird gemacht: The (International) Noise Conspiracy
 
Metin Genc
Ein Detektor ist ein Detektor ist ein Detektor
Literarisches vom Standpunkt der Zeit
 
Barbara Holland-Cunz
Unerledigte Utopie
Zur Renaissance der 1970er Jahre – kulturindustriell und utopisch
 
Gabriele Dietze
Der okzidentalistische Geschlechterpakt
Emanzipation als uneingelöstes Versprechen
 
Martin Saar
Bildpolitik: >Vorwärts<
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Fortschrittskontrollen und Post-Development<
 
Susann Neuenfeldt/Simon Strick
Hallo Karthago/Hallo Rom: >Reck Deine Glieder<



SCHÖNHEITEN

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