





polar #9: Fortschritt
EDITORIAL
AUFKLÄRUNG
AUFBRUCH
AUFGABE
SCHÖNHEITEN
Tim Caspar Boehme Zurück Pioniere der De-Evolution: Devo
| Johannes Kleinbeck Der Übermaler Das Neue auf der Stelle: Die Kunst Arnulf Rainers
| Frieder Vogelmann Moderne Zeiten Das Formlose in Permanenz: Ahmet Hamdi Tanpinars Das Uhrenstellinstitut
| Anna Sailer Abseits Bewegung im Stillstand: Junges mexikanisches und deutsches Kino
| Julia Roth Kumbia, Nena! Punk Tropical: Kumbia Queers als genderpolitische Avantgarde
| Franziska Schottmann Irrwitz Vom Absurden lernen: William Kentridge im Jeu de Paume
| Martin Saar Gemeinsames Glück Unverschämt optimistisch: Hardt und Negri über das Gemeinsame
| Kerstin Carlstedt Gebannte Welt Horror als Modernitätsverweigerung: M. Night Shyamalans The Village
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Thomas SchrammeSprungzoneZeitverschiebung: Billy Braggs Waiting For The Great Leap Forwards | 1988, das Jahr, bevor wir Kontakt aufnahmen. Man ging in die Batschkapp und versuchte, seine Restjugend halbwegs anständig zu Ende zu bringen, nachdem der größte Teil vom Oggersheimer Saumagenmögenden ruiniert worden war. Was war da besser, als die irgendwie befreiend wirkende Botschaft Billy Braggs: »The revolution is just a tshirt away?« Ja, wir warteten auf den großen Sprung nach vorn – the great leap forwards. Dass uns ein Jahr später tatsächlich ein solcher ereilte, ganz anders als geplant und vielleicht nicht gerade in die erwünschte Richtung, das hätte auch er sich wohl nicht träumen lassen; der letzte Mohikaner des britischen Politikpop.
Der Song ist immer noch super, natürlich. Und er enthält ein ganzes Arsenal an griffigen Botschaften, die man durchaus auf T-Shirts drucken könnte, wie »if you‘ve got a blacklist I want to be on it«. Aber man kann nicht verleugnen, dass die Zeiten definitiv vorbei sind, in denen man mit heiligem Ernst noch vortragen konnte, dass in einer perfekten Welt alle richtig (in tune) singen würden. Was wäre denn die Tonart, nach der wir uns einstimmen sollten? OK, Bragg war schon damals nicht naiv. Der große Schritt vorwärts ins Paradies, den gibt es nicht (so leicht). »But this is reality so give me some room.« Diese Ambivalenz – die Hoffnung auf den Durchbruch und das Abfinden mit dem Machbaren – zieht sich durch den Text. Sie betrifft auch den Künstler selbst. Kann man Pop und Politik verbinden? Was soll das bringen? Ist es nur Pose?
Heute findet die Revolution sowieso woanders statt. Billy Braggs Webseite legt davon Zeugnis ab. Hier versammelt er politische, künstlerische und kommerzielle Interessen. Er kann mit Hilfe des reichhaltigen Angebots an freien Videos, Musik und Informationen, wie er sagt, mit der Welt kommunizieren; ja, er zitiert sogar seinen alten Song Waiting For The Great Leap Forwards: »It‘s time to start our own revolution and cut out the middleman…« Ist das also heutzutage die Idee des großen Sprungs nach vorne? Braucht man bloß die virtuelle Welt zu ändern? |

| Luisa Banki Der Fortschreiter Unterbrochene Geschichte: Walter Benjamins Denkbild In der Sonne
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