Es sieht so aus, als drehe sie sich noch einmal um und sehe sich selbst an, aber schon von der anderen Seite. Man zählt ja sobald man Sylvia Plaths letztes Gedicht »Edge« liest, die Tage zwischen dem 5. Februar 1963, auf den es datiert ist, und ihrem Todestag. Sechs Tage vor 50 Jahren. Ein Wort klingt darin merkwürdig metallisch, das Vollendung heißen kann, allerdings im forschen Sinn von Durchführung oder Leistung: »The woman is perfected./ Her dead/ Body wears the smile of accomplishment«. Der Körper, »der kleine utopische Kern im Mittelpunkt der Welt, von dem ich ausgehe« (Foucault), trägt die Mine eines Verlangens nach Erfolgen und Möglichkeiten, das jetzt abgelebt ist.
»(W)e are always haunted by the myth of our potential, of what we might have it in ourselves to be or do«, schreibt der britische Psychoanalytiker Adam Phillips in seinem neuen Buch Missing Out. In Praise of the Unlived Life, und die Frage ist natürlich, was das »it« in diesem Satz bedeuten soll. Als schwebe er in Gefahr, schützt der Mensch die Grenze zwischen dem tatsächlich gelebten Leben und all den nicht ergriffenen Gelegenheiten und Tagträumen. Er legt einen Vorrat an Wissen und Gründen an, die ihm seinen Platz unter den Anderen und in der Welt erklären. Als könne er sich schon außerhalb seiner Wünsche sehen, wendet er sich um und gibt bekannt, was für eine Figur er sei und zu welchen Ansprüchen ihn das berechtige. Die Rechtfertigungen, die er sich erarbeitet, verschaffen eine bescheidene Genugtuung für die eigentliche, existentielle Beleidigung: »There is nothing we could know about ourselves or another that can solve the problem that other people actually exist, and we are utterly dependent on them as actually existing, seperate other people whom we need. There is nothing to know apart from this, and everything else we know, or claim to know, or are supposed to know, or not know, follows from this. And mostly, […] our knowing, such as it is, is our desperate attempt to conceal this.« Man weiß natürlich nicht, ob das Leben unter den Menschen die größere Kränkung ist, oder die Individuierung selber, das physisch spürbare abgeschnitten Sein von Welt und Anderen. [...]
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