Geliebtes Rom,
in deiner Demokratie gibt es keine Grenzen. Es gibt keinen Schießbefehl für einen Gedanken. Keinen Todesstreifen für eine fragwürdige Äußerung. Kein Niemandsland, keinen Tunnel für eine Kulturkritik an deinem System. Jede Kritik heißt du willkommen als einen Gast, der sich wie zu Hause fühlen soll. Die Terrorzelle des NSU jagst du aus dem Haus, nach Hinterdeutschland, Snowden nach Cuba. Sag mir, wo du stehst. Ich sag dir, welchen Weg ich geh. Gilt dein Demokratieprinzip auch für deine Liebe? Wo fängt deine Liebe zu mir an, wo endet sie? Wo liegt der Gewehrlauf deiner Liebe? Wann macht sie sich aus dem Staub und flieht in den Westen? Sag mir, liebes Rom, welcher Terrorzelle meines Körpers machst du den Prozess? (Heer, Stahl und Sturm sind deine Ungeheuer) Ich komme aus einer Diktatur des Denkens. Mit der Grenze im Kopf forme ich die Worte auf meiner Zunge, lasse sie durch meine Zähne gleiten, die Türsteher der Ideologie. Die Demokratie in deinem Land hat keinen Biss Rom. Sie ist die Feinmechanik des Kapitalismus (ohne Proletariat). Lass mich deine Zähne fühlen. Hau sie in mein rastloses Fleisch. Die Diktatur ist unser Tattoo. Der Zirkusdirektor mit Peitsche. Occupy Wall Street Occupy Me, den Ruhelosen,
Dein Karthago
Karthago, Geliebter,
nein, ich hab kein Gewehr. Ich muss niemand aus großer Entfernung in den Rücken schießen. Ich sehe dir in die Augen, wenn ich dir den Dolch gebe, denn ich meine genau Dich. Du brauchst nicht flüchten, keinen Tunnel graben, musst keinen Untergrund ausheben. Das Niemandsland sind wir. Dort wo ich warte auf dich, wo du rastlos bist, ist unser Todesstreifen. Verlauf dich auf deinen Streifzügen, Rom ist da, wenn du vor Erschöpfung einschläfst. Fletsche deine Zähne, Liebster, und lehn dich an meine Mauern, wenn du nicht mehr kannst. Schrei deinen Protest, meine Straßen sollen dein Megaphon sein. Ich will dich nicht besetzen, ruheloses Karthago. Ich bin dein Zucottipark, deine Wall Street, dein Bürofenster mit der Backsteinwand davor, die Bühne für deinen rastlosen Stillstand. Mich interessiert keine Zelle und kein Winkel, mein Terror sind die offenen Türen, das helle Tageslicht. Kein Versteck, keine Scham. Hier stehe ich, meine Tore sind weit geöffnet, für dich. Jeder kann herein kommen, jeder sagen was ihm in den Sinn kommt, alle machen eine Riesenunordnung. Meine Tore sind offen, ich warte nur auf dich. Und wenn du kommst, beiße ich in dein Fleisch, bis ich zahnlos bin, denn ich will das Bekenntnis deiner Lippen.
Ewig, Rom