





polar #10: Endlich
EDITORIAL
UNBEGREIFLICH
UNENDLICH
UNHEIMLICH
SCHÖNHEITEN
Luisa Banki Elementares Zwischen Leben und Sterben: W. G. Sebalds Nach der Natur
| Lars-Olav Beier Trommelfeuer Tod im Kino: Das Ende von Bonnie und Clyde
| Michael Eggers Papi aus Fiberglas Echt, aber irgendwie falsch: Ron Muecks Dead Dad
| Thomas Biebricher Liebestod Unbewusst, höchste Lust: Richard Wagners Tristan und Isolde
| Oliver Kohns Zum Sterben komisch Gezeichnete Helden in schwarzweiß: André Franquins Idées noires
| Franziska Schottmann Aussetzer Kehrseite des Konsums: Yi Yi von Edward Yang
| Trudel Karcher Tales from the Crypt Das Leben der Toten: Der Gilgamesch-Epos
| Tim Caspar Boehme Tod im Schmalzbrot Gesche Margarethe Gottfried als Graphic Novel: Peer Meters und Barbara Yelins Gift
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Kerstin CarlstedtGar nicht witzigTrotz und Trost im Brennglas der Endlichkeit: Wit von Mike Nichols | Wenn Lehrende dem medizinischen Nachwuchs zeigen wollen, wie sie ihre Patienten später nicht behandeln sollten, zeigen sie den Film Wit. In der Adaption des Pulitzer Prize-gekrönten Theaterstücks von Margaret Edson spielt Emma Thompson die an Eierstockkrebs im Endstadium erkrankte Lyrik-Professorin Vivian Bearing. Vivian ist eine nüchterne, kompromisslose und spöttelnde Person. Ganz und gar Wissenschaftlerin nimmt sie ihre Krebsdiagnose rein rational auf, als wäre sie Erkenntnis ihrer eigenen akademischen Forschung. Ihre Ärzte, der angesehene Tumor-Spezialist Harvey Kelekian und sein Kollege Jason Posner, der zufällig einer von Vivians Ex-Studenten ist, wollen ihr Leben um jeden Preis erhalten.
Auch Vivian will leben und als ihr die Mediziner als letzte Chance ein Experiment anbieten, eine besonders aggressive Chemotherapie, stimmt sie zu. Ahnend, auf was sie sich einlässt, entscheidet sich Vivian, die Behandlung allein und in Würde durchzustehen. Nebenwirkungen wie Fieber, Schüttelfrost, Unterleibsschmerzen, Kotzen erträgt sie mit Ironie. Je länger sie dem Tod trotzt, desto mehr wünscht sie allerdings, es gäbe mehr Menschen an ihrer Seite, die sie als Person begreifen, nicht als Versuchskaninchen. Die Ärzte sorgen sich mehr um die Resultate ihrer Tests, als um ihre Patientin.
Nach acht Monaten, Vivian ist längst kahlköpfig, bedauert die brillante Akademikerin ihre Gnadenlosigkeit und Unsensibilität gegenüber weniger begabten Zeitgenossen. In ihrer größten Not lernt sie, dass Mitgefühl wichtiger ist als Wit, also Witz, geistige Wendigkeit oder Esprit. Wissen ist keine Macht, wenn es Leben nicht retten kann.
Am Ende des Films ist Vivian austherapiert. Auch die Ärzte können nichts mehr für sie tun. Wie so oft. Sie stirbt. Aus dem Off rezitiert Vivian, die geniale Expertin für spätmittelalterliche Sonnette, »Death be not proud« von John Donne. Ein kleines bisschen Trost. Letztendlich.
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| Anna Sailer Verschwunden Unsichtbare Gewalt: Das Fotoprojekt ausencias von Gustavo Germano
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