Ja: Die Linke träumt den Traum von einer aufgeklärten und gerechten Welt, in der es keine Gründe mehr dafür gibt, dass die Völker aufeinander losgehen. Nein: Die Welt ist aber nicht so; schließlich leben wir bestenfalls in einem Zeitalter der Aufklärung und nicht in einem aufgeklärten Zeitalter. Das dauert nun schon länger und wird wohl auch bis auf weiteres so bleiben. Die Linke hofft ja, dass sich das einmal ändert. Aber bis dahin kann sie nicht tatenlos zusehen, wenn Menschenrechte verletzt und Staaten überfallen werden. Wer sollte das besser als die deutsche Linke wissen, die es ja ohne das Eingreifen der Alliierten vermutlich gar nicht mehr gäbe? Na ja: Die Linke hat immer mit dem Einwand zu kämpfen, dass sie viel Gutes will, dem vernünftigen Handeln vertraut – und dabei manches Schlechte bewirkt. Kriege bewirken besonders viel Übel, auch wenn (oder vielleicht sogar: gerade wenn) sie aus den edelsten Motiven geführt werden. Es bleibt die permanente Herausforderung, nicht wegzusehen, aber auch nicht in einem Menschenrechtsfuror vorschnell loszumarschieren. Aus diesem politischen und moralischen Dilemma kommen wir nicht heraus. Stefan Huster
»Nie wieder Krieg« eignet sich in dieser Absolutheit wohl kaum zum linken Imperativ, denn sonst würde ja sogar der militärischen Selbstverteidigung im Falle eines Angriffskriegs die Legitimität entzogen. Kann das Recht auf Selbstverteidigung also kaum gemeint sein, stellt sich umgekehrt die Frage, ob Kriege zur Durchsetzung linker Ziele, wie etwa im Fall von »humanitären Interventionen« gerechtfertigt sein können. Man ist geneigt, den meisten dieser Operationen retrospektiv vor allem geschickte rhetorische Bemäntelung von Interessenpolitik zu attestieren, so dass mittlerweile der Pathos der »Weltgemeinschaft, die doch nicht zusehen darf«, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden, erschreckend hohl klingt. Soll die Vermeidung von Krieg eine Grundmaxime aller linken Außenpolitik sein? Ja. Darf letztere den Krieg als ultima ratio ausschließen? Keinesfalls. Thomas Biebricher
Gegen den Krieg zu sein, schon im Prinzip, ist typisch links. Doch nur insofern, als es sich um eine typisch linke Lebenslüge handelt. Sie erinnert an all die Kriegsdienstverweigerer der 1970er, die dem Kreiswehrersatzamt bei ihrer »Gewissensprüfung« glauben machen wollten, dass sie auch dann nicht zu Waffe greifen oder auch nur Gewalt anwenden würden, wenn sie ihre Freundin im Wald gegen einen Vergewaltiger zu verteidigen hätten. Ich selbst kannte niemanden, dem ich das abgenommen hätte. Auch wenn der Angriffskrieg geächtet sowie völkerrechtlich sanktioniert gehört und jede Heroisierung des Krieges unangebracht ist: Was, wenn man angegriffen wird? Was, wenn es zu Völkermord oder massenhaft zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit kommt? Dann ist das einfach Pech? Auch die linke Selbstgerechtigkeit gegenüber Soldaten, die kaum gern in den Krieg ziehen, wohl aber das gemeinsame Land verteidigen wollen, ist scheinheilig und zutiefst missachtend. »Stell’ dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin!«. Es fällt nicht schwer, sich weltpolitische Konstellationen auszumalen, in denen genau dies fatal wäre. Arnd Pollmann
Was im Zeichen des wilhelminischen Massenmordes und der faschistischen Dämmerung eine klare Adresse hatte, dem fehlt es heute als universelle Parole an Begründungstiefe. Was meint der Ausruf »Nie wieder Krieg!« im 21. Jahrhundert? Krieg als eine Ausprägung von Gewalt oder Gewalt per se? Zwischenstaatliches Säbelrasseln oder Bürgerkrieg gegen das eigene Volk? Die Geschichte macht deutlich, dass die Links-Rechts-Einordnung von Krieg einer fehlgeleiteten Dichotomie folgt: Es gab schon immer linke und rechte Kriege, klerikale und weltliche, kapitalistische und antikapitalistische. Der pazifistische Ruf »Nie wieder Krieg!« kam noch nie von rechts. Deswegen eint er aber noch lange nicht die Linke. Für die einen firmiert das, was früher in patriotischer Verzückung für Gott, Kaiser und Vaterland geschah, heute unter dem Namen der Friedenssicherung. Für die anderen ist es das notwendige Übel, um die größere Katastrophe zu verhindern. Spätestens seit Srebrenica ist die deutsche Linke gespalten zwischen Pazifismus und »humanitärer Intervention«, zwischen Fundis und Realos. Und Afghanistan ist nur ein weiterer Kristallisationspunkt dieser zurecht unlösbaren Frage, ob der Abschied vom Pazifismus linke Politik sein kann. Nils Saniter
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