





polar #6: Wie leben
EDITORIAL
KOLLAPS
WIDER DIE NATUR
MEIN HALBES JAHR
ELEKTRISCHE MONDE
SCHÖNHEITEN
Michael Eggers Schlechtes Wetter Natural Suspense: Die Katastrophenthriller des Adalbert Stifter
| Julie Miess Zugerichtet Terminatrix 2004: Der Cyborg als feministische Utopie
| Metin Genc Das wüste Land Meer ohne Wasser: Raoul Schrotts Erzählung Khamsin
| Anja Höfer Brake is beautiful Animalistic Turn: Verbotene Früchte von Blumfeld
| Christoph Raiser Aus heiterem Himmel Neuere Zoologie: Tierbeobachtungen von Douglas Adams und Mark Cawardine
| Kerstin Carlstedt Geradewegs in die Hölle Hund, Kaninchen oder Frettchen: Ulrich Seidls Tierische Liebe
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Daniel UlbrichGmögigi Sprach, gfürchtigi BergAlpenglühen: Tim Krohns schwyzerschrifttüütsches Bergromanpaar Quatemberkinder und Vrenelis Gärtli | Vrenelis Gärtli ist ein 2.904 Meter hoher Berg im schweizerischen Glärnischmassiv, unter dessen charakteristischem Firnfeld, der Sage nach, das gottesversucherische Vreneli liegen soll, das hier einst einen Garten anlegen wollte, jedoch eingeschneit wurde und jämmerlich erfror. Die Sage selbst wiederum soll, wie es heißt, auf die Zwischeneiszeit und ihre langwährenden Hungerperioden zurückgehen. Tim Krohn hat in seiner Romandilogie das Vreneli wiederauferstehen lassen, ihm den Hirtenjungen Melk zur Seite gegeben, und beiden mithilfe einer Kunstsprache aus Hochdeutsch und Glarner Dialekt neues Leben eingehaucht.Herausgekommen sind einerseits zwei Romane über das Aufwachsen im Kanton Glarus um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Da höcklet man mit dem Melk in einer Tuchfabrik im früh industrialisierten Glarnertal. Man höslet ihm auswärts ins Welsche nach. Und lange Jahre hindurch sieht man ihn im Wechsel der Jahreszeiten mit dem Vieh z’Berg auf die under Stafel, und von dort aus auf die ober Stafel chräsmen (wo das beste Muetteri wächst), um ihn schließlich im Spätsommer Weidestufe für Weidestufe wieder z’Tal ziehen zu sehen.Doch der Melk und das Vreneli sind eben auch Quatemberkinder, denen Gschpängsterli, Hexli und Schrättli eine Selbstverständlichkeit sind, und denen es selbst geborgen in der ihnen eigenen gmögigen Sprache schwer zu fallen scheint, in den gfürchtigen Bergen ein wirkliches Diheimed zu finden. Und so lässt Tim Krohns Bergromanpaar anderseits das Erzählen vom Aufwachsen in und mit der Natur immer wieder ins Übernatürliche hinüberwechseln. Ein Nebel erschwert dann nicht mehr bloß das Viehhüten, sondern erweckt tiefes Sehnen und Planggen. Ein Bergsturz wird durch das sorglose Umefendere eines Quatemberkindes in amourösen Angelegenheiten ausgelöst. Und wer das Tauwetter angegattigt hat, durch das das Vreneli aus seinem Kältebann erlöst werden wird, bleibt am Ende ebenso geheimnisvoll wie die Ursache des Alpenglühens: Ob es das natürliche Streulicht war, das die Gletscher brünnen machte, oder der Widerschein des menschengemachten Brandes, der 1861 Glarus verheerte – oder einfach nur die süttig glühende, übernatürliche Kraft des Eros? Was das charakteristische Firnfeld auf Vrenelis Gärtli betrifft, so soll es übrigens im Sommer 2003 erstmals vollständig abgeschmolzen sein. |

| Julia Roth Perfekt Kein Geschlecht oder viele: XXY von Lucia Puenzo
| Thomas Schramme Ungeheuer Schlimmer als der Mensch: John Stuart Mill über die Natur
| Susanne Schmetkamp Krone der Schöpfung Haare und Hormone: Michel Gondrys Debutfilm
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