Am Anfang der Ökologiebewegung steht der Verzicht. Auf den gelb-roten Buttons und Aufklebern, die längst zu Ikonen der Popkultur geworden sind, kommt das zentrale Anliegen der Bewegung, die Absage an die Kernkraft, gar nicht kämpferisch daher. Ganz höflich wird sie abgelehnt, wie ein nett gemeintes Angebot: Atomkraft? Nein danke. Wir verzichten.
Doch wie nett auch immer er formuliert wurde, der Verzicht war immer die Achillesferse der Bewegung. Die gesellschaftliche Umwelt der achtziger und neunziger Jahre war ganz und gar nicht auf Verzicht gepolt. Die Askese der Ökos musste suspekt wirken, ihr freiwilliger Verzicht auf so viele schöne Dinge als kolossale Spaßbremse.
Heute, so heißt es, hat sich das grundlegend geändert. Wir verzeichnen eine neue Lust am Verzicht. Dass verzichten Spaß machen kann, nein, dass es Spaß machen muss, dieser Perspektivenwechsel gilt geradezu als Scheidemarke zwischen den Ökos alter Prägung und den neuen, denen die Marktforschung zu Beginn des Jahrtausends das Akronym LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) verpasst hat.
Ungeahnte neue Quellen des Glücks haben sich im Leben der LOHAS aufgetan, darunter z.B. der Rausch, den individuelle Effizienzsteigerungen auszulösen vermögen: Glück ist, wenn ich mit dem Hybridwagen auf hundert Kilometern die drei Liter-Marke unterbiete oder wenn der neue Kühlschrank der Effizienzklasse A++ keine einhundert KWh mehr verbraucht.
Die Anhänger des Lebensstils der Gesundheit und Nachhaltigkeit sind in erster Linie eine Konsumentengruppe, die die alte Maxime, dass weniger häufig mehr ist, neu interpretiert. Sie kaufen sich für mehr Geld weniger: weniger Fleisch (dafür aber besseres), weniger Pestizide im (Bio-)Gemüse, weniger CO2-Emissionen (durch Ökostrom und Sparlampen), weniger Rendite (aber sinnvolles Investment).
Zum guten Leben gehört in diesem Modell also der Verzicht als integraler Bestandteil. Aber es ist ein besonderer Verzicht, einer der eine neue Gestalt angenommen hat und zu einer wirtschaftlichen Größe geworden ist, zu einem Geschäftsmodell mit guten Wachstumsprognosen. Eine neue ökonomische Sparte ist entstanden. Eine »Verzichtsindustrie « kann darauf bauen, dass Verzicht heute oft bedeutet, mehr Geld auszugeben. Ein Paradigmenwechsel: Bislang verzichtete man doch gerade um zu sparen. Statt Verzicht als Alternative zum Konsum nun also alternativer Konsum.
LOHAS, das steht für einen Lebensstil, den man nicht nur führen wollen, sondern den man sich auch leisten können muss. In Deutschland sollen rund 15 Prozent der Bevölkerung LOHAS sein. Meist sind sie gebildet und verdienen überdurchschnittlich. Eine kleine Gruppe also. Wenn dennoch Hoffnungen in sie gesetzt werden, dann liegt das daran, dass sie zu einer Ökologisierung aller Lebensstile beitragen könnten. Darin könnte eine große Chance stecken. Denn als Frage pluraler ökologischer Lebensstile kommt die Ökologie stärker als früher ohne den Paternalismus und ohne den moralischen Appell aus, die sie noch immer wenig attraktiv machen.
Und doch schlummert die moralische Dimension im Begriff des Verzichts. Im juristischen Sinne bedeutet Verzicht schlicht die Aufgabe eines Rechts. Folglich kann man im strengen Wortsinne nur auf Dinge verzichten, auf die man einen legitimen Anspruch hat. Da wären sie dann doch wieder, die klassischen Themen der Ökologie, und zwar in Form von Gerechtigkeitsfragen.