»Green is the new red«, »Green Power« oder »Green leap forward« lauten englischsprachige Headlines in chinesischen Kultur- und Modemagazinen. Während die Zeitschriften die Zeichen des roten Ostens rhetorisch aufgreifen, vermarktet die offizielle Ausstellung zum dreißigsten Jahrestag der chinesischen Öffnungspolitik das auch im Westen populäre Zeichen für grüne Energie, das Windrad.
Windräder im Grünen
Es ist kein Desktop-Bild der Firma Microsoft, auch wenn man es zuerst dafür halten könnte. So sehen Windkrafträder in Inner Mongolia aus, wenn man sie werbewirksam aufnimmt. Windkrafträder scheinen in China beliebter zu sein als in europäischen Ländern, denn dort werden sie als Zeichen des technologischen Fortschritts gelesen und positiv in das Leben integriert, zum Beispiel als Kulisse für Hochzeitsfotos. Dieses idealisierte Umweltschutzbild steht also für Zukunft und Ökopower und war in der Parteiausstellung »A 30-year history: Exhibition on China’s Opening Up« im Dezember 2008 im China World Trade Center in Peking zu sehen.
Tianjin Modell
Zum Industriegebiet des 21. Jahrhunderts gehören Windräder: In der genannten Ausstellung anlässlich des 30. Jahrestags der chinesischen Öffnungspolitik, konzipiert von Deng Xiaoping, steht neben einem 1:100 Modell von der Sonderwirtschaftszone Shenzhen, ein großformatiges Modell der Tianjin Economic and Technological Development Area (TEDA), die 1984 beschlossen wurde. Mittendrin bewegt sich eine Miniatur des Hochgeschwindigkeitszugs, der von Peking aus kommend die 120 km lange Strecke in zirka 30 Minuten bewältigt. Aber bislang sind neben ein paar Fabriken nur die Kulturhalle und das Messegelände fertig. Wenn man mit der Monorailbahn durchfährt, wirkt die Gegend wie eine Stadt nach sozialistischer Planung, aber mit chinesischen Charakteristiken: mit dem überdimensionalen Konsumort Citizen Plaza und den Messehallen soll eine urbane Corporate Identity entstehen. Überhaupt zeigt das Modell eine Art emblematische Verdichtung der wirtschaftlichen Insignien: den Schnellzug, Logos internationaler Unternehmen wie Motorola, Airbus oder Bayer, die Windräder. Tatsächlich stehen aber gar keine Windräder an der Meeresküs¬te. Dafür produzieren Windturbinenhersteller aus Korea oder Dänemark schon vor Ort.
Infografik aus Urban China
Diese Doppelseite aus einem chinesischen Urbanismusmagazin zeigt den perfekten Plan, der alle Instanzen vorsieht, die Zentralregierung in der Mitte der Grafik. China hat die Situation im Griff, muss man anhand dieser Infografik doch denken. Oder was will das »Diagram of Contingency« aus der 31. Ausgabe sagen? Mit dieser Designstrategie, die Vollständigkeit und Sicherheit suggeriert, regen sich aber Zweifel. Das Copyright liegt bei Underline Office, einem Thinktank, den »Urban China«-Chefredakteur Jiang Jun gegründet hat.
LOHAS-Cover
Der kalifornische Lifestyle of Health and Sustainability, kurz LOHAS, ist längst auch in China angekommen. Im Botschaftsviertel Chaoyang gibt es den Bio- Lebensmittelladen Lohao-City – das »o« am Ende lässt das Wort chinesischer klingen – und das Hochglanzmagazin LOHAS erscheint seit 2007 auch auf chinesisch. Die aktuelle Januarausgabe zeigt, dass das Lebensstil-Konzept wohlhabender Metropolen-Bewohner im Westen unverändert weitergegeben wird. Öko-Hedonismus kommuniziert die Zeitschrift, bewirbt teure Produkte; denn ein gesundes und nachhaltiges Leben ist für jeden möglich, der genug Geld in der Tasche hat. Ins Chinesische übertragen heißt es »le huo«, was so viel heißt wie »happy living set«. Daran, dass Nachhaltigkeit ein exklusiver Lebensstil ist, ändert die Redaktion dieser Zeitschrift nichts.
Bayer-Anzeige
»Conserving Resources, Protecting the Climate« wirbt der Leverkusener Chemiekonzern Bayer AG in einer Anzeige, die in der englischsprachigen staatlichen Tageszeitung China Daily vom 22.12.2008 erschienen ist. Das Motiv zeigt wildes Grün, vielleicht eine Szene aus dem Regenwald? Mitten in der ungezähmten Vegetation ist ein »Big Foot« zu sehen, unser CO2-Fußabdruck, den Bayer kleiner machen will. Aber wie? Die NGO »Coordination gegen BAYERGefahren « (CBG) beobachtet und kritisiert die Geschäfte des Konzerns. 2007 bezichtigte sie das Unternehmen für seine Zusammenarbeit mit dem UN-Umweltprogramm (UNEP) eines »greenwashing«. Bayer trägt als weltgrößter Pestizidhersteller zur Bodenerosion und zum Verlust biologischer Vielfalt bei. Bayer- CropScience vertreibt gentechnisch verändertes Saatgut.
Kohlefilter für Autos
Firmensitz des Unternehmens VKOOL ist in Singapur. In China gibt es ein Franchise-Unternehmen. Es ist ein Joint-Venture-Unternehmen aus Texas, USA. Der Präsident von V-KOOL Inc. ist Marty Watts, der auf der Firmenwebsite als »Veteran der Fensterfolienindustrie« beschrieben wird. Umweltbewusstsein wird in der Anzeige über die vorgebliche Verwendung umweltschonender Materialien wie Umweltschutzpapier und Bleistifte kommuniziert.
Mercedes-Insel
Unter der Überschrift »Green Power« hat das Männermagazin »men’s uno« in seiner Dezemberausgabe eine Bild- und Textstrecke mit Konsumententipps zusammengestellt, die nach Meinung der Redaktion zum »grünen« Lebensstil gehören. Darunter gibt es eine Mülleimerkollektion des Münchner Produktdesigners Konstantin Grcic, Authentics TOP. Die drei Modelle haben jeweils einen braunen, grünen oder gelben Deckel, ein Farbcode, den man vermutlich nur in Deutschland kennt. Weiter hinten folgt dann eine futuristisch amorphe »grüne« Inselsimulation, die direkt aus Second Life kopiert worden sein könnte. In den Saum dieser Insel sind unzählige Mercedessterne in verschiedenen Größen eingelassen. Ihr Grad der Vermoosung will uns vermutlich sagen, dass dieses Unternehmen sich schon lange um unsere Umwelt kümmert – eine unerträgliche Perversion.