Was »Brazilian Waxing« ist, hab ich vor ein paar Jahren bei einem lustigen Heterafrauenabend in New York gelernt. »Die machen selbst den Arsch«, wusste eine Dame zu berichten, die sich einer solchen Schamenthaarung ein paar Tage vorher unterzogen hatte. Auch sonst war die Dinner Party lässig und aufschlussreich. Eine Bankerin erzählte vom Yoga Retreat in der Karibik, ihre beste Freundin aus Grundstudiumszeiten, verheiratet, zwei Kinder und anstrengender Job, lobte die energiesparenden Qualitäten der gegenseitigen Masturbation, die Gastgeberin pries die Vorzüge des Nacktschlafens und zum Naschen wurden kleine, bunte Penisse aus Weingummi gereicht.
Wie gesagt, das war vor ein paar Jahren. Mittlerweile haben wir alle Frau Roches Feuchtgebiete angelesen und einen »Brazilian Cut« kann man längst auch in Berlin haben – inklusive Pofalte, wie auf einem Flyer stand, der mir letztens beim Pizza-Essen am Nollendorfplatz in die Hände fiel. Pofalte klingt ja ein bisschen elegant und damit fast so, als sei es völlig normal, wenn dort wildfremde Menschen mit Wachs herumfuhrwerken. Als müsse man sich keine Spur schämen, wenn man sich mal wieder den Arsch machen lässt. Oder die Brust, das Kinn, den Bauch – denn auch die sind im Angebot der professionellen Enthaarungsstudios, und zwar für Männer wie für Frauen. Eigentlich, sagt die Norm, sollten Frauen an diesen Stellen von Natur aus ja gar keine Haare haben. Weshalb sich manch eine schämt, wenn ihr doch welche wachsen. Weil sie denkt, sie sei ein Freak. Und sich die Schande heimlich wegrasiert. Bei abgeschlossener Badezimmertür. Oder sich einredet, Bikinis seien prinzipiell unbequem und am Schwimmengehen, ach was: an Hochsommer habe ihr noch nie viel gelegen. Es ist nicht ohne, das Verhältnis zwischen Norm und Scham.
Der Markt hat das erkannt. Macht Angebote, und zwar weitgehende. Auch solche, gegen die Waxing wie Kinderkram wirkt. FGCS heißt der neue Trend. Das klingt ein bisschen wie FGC, was wiederum für Female Genital Cutting steht und eine nicht denunzierende Bezeichnung für weibliche Genitalverstümmelung ist. FGCS steht für Female Genital Cosmetic Surgery, das ist Schönheitschirurgie an weiblichen Genitalien. Der aktuelle Renner sind Schamlippenverkleinerungen, jedenfalls, wenn man nach den Webseiten der einschlägig spezialisierten Ärzte geht. Und man braucht dort gar nicht lange um die vielen Vorher-Nachher-Fotostrecken herumzusurfen, bis man auch die alte Bekannte Scham wiedertrifft. Die Chirurgen und »kosmetischen Gynäkologinnen« sagen nämlich, sie könnten ihr mit dem Messer den Garaus machen. »Mit dem Aufkommen sexuell expliziter Zeitschriften, Videos und Kleidung sind weibliche Genitalien verstärkt sichtbar geworden. Das kann dazu führen, dass sich Frauen am Strand oder im Schlafzimmer für das äußere Erscheinungsbild ihrer Genitalien genieren«, heißt es zum Beispiel, sinngemäß, auf labiaplastysurgeon.com. Die Botschaft ist klar: Wieso sollte man sich mit seinem natürlichen Körper zufrieden geben, wenn der Scham erzeugt? Und wenn man die inzwischen wegoperieren kann, da doch eine künstliche Verkleinerung »die Ästhetik abnormal vergrößerter Labien entscheidend verbessern kann«? Interessant ist, dass an diesem Punkt auch die Norm wieder im Spiel ist – und die Genitalchirurgen selbst andeuten, dass es in ihrem Geschäft um deren Reproduktion geht.
Aber halt. Erzeugt nicht die Norm wiederum die Scham? Deren Überwindung durch das Messer oder, kleine Lösung, durch eine Packung Wachs man sich doch grade hatte kaufen wollen? Es ist wirklich nicht ohne, das Verhältnis zwischen Scham, Normen und Messern. Vive la différence.