Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #23: Ende und Anfang




EDITORIAL

 
Liebe Leserin, Lieber Leser


ENDE

 
Mark Fisher
»Zeit gibt es hier keine, jetzt nicht mehr.«
 
Lukas Zidella
Kontinuität und Wandel
Vom Ende des Endes der Geschichte
 
Stefan Willer
Verhinderte Zukunft
Sicherheit, Prävention, Imagination
 
Paula Diehl
News for the Masses
Massenmedien, Populismus, Rechtspopulismus
 
Thomas Schramme
Ende des Lebens
Die vertraute und völlig unbekannte Befassung mit dem Tod
 
Frederik R. Heinz
Das Ende der »politischen« Kunst
Warum uns die Kunst nicht retten kann
 
Interview Soh Bejeng Ndikung
»Privilegien verlernen«
 
 

Susann Neuenfeldt / Simon Strick

>OST<

Chris Cornell – Jonathan Demme – Jaki Liebezeit – George Romero – Clyde Stubblefield


Liebe Trauergäste,
 
Wie sollen wir um OST trauern? Wie soll getrauert werden, um das, was über alle westdeutsche Gebühr hinaus auf der Differenz beharrt hat? Wie können wir weinen um die, die im Zeichen der aufgehenden Sonne BLACK HOLE SUN weitergemacht haben? Um jene, die immer »drüben« waren? Wie beklagen wir den Tod der Volksbühne OST? Die Himmelsrichtung von uns gegangen, ist der Kompass um eine Richtung ärmer. 
OST war Richtung und Haltung, und Richtung war Pulsschlag und Haltung war Rhythmus. Der Rhythmus ist jetzt zum Stillstand gekommen. Für immer. Aus die Maus. Der Rhythmus war nicht »das Herz der Stadt«, das sollen andere verpflanzen, wie und wohin sie wollen. »Die Stadt« ist eine Illusion, eine Schnapsidee der Kolonisatoren und ihrer Werbegrafiker. Tot ist der Rhythmusgeber, der Takt, der unaufhörlich die Diskurspumpe für Euch gegeben hat. Tot ist diese monströse Maschine, die einfach immer weiter produziert hat, zwischen Automatisierung und hochdosiertem Gefühl. Wie JAKI LIEBEZEIT im Westen, war OST der FUNKY DRUMMER am Rosa-Luxemburg-Platz.
 
Jaja, da war auch ein Mann, ein Weißer, mit einem veralteten Frauenbild und zu langen Stücken, das ist bekannt. Gut, dass der weg ist (ein neuer steht schon da). Getrauert wird um jeden, der abgeht.
 
Wir leben in der Zeit des abnehmenden Rhythmus. Ständig passiert was. Alle hauen was raus, wie sie können. Die Menschen reisen, machen, sie stagen ihre Projekte, knallen ein Event an den anderen, schreiben die Anträge und pflegen die Kontakte. Da kommt kein Rhythmus raus, egal wieviel Bands und Tanzkram ihr auf die Bühne bringt. Damit baut ihr keine Maschine, die funktioniert, und Menschen eine Heimat gibt. Wo der Motorengeruch ist, die Kolben stampfen, die Mechanik rattert, und man mitgerissen wird vom Räderwerk, da kann man zuhause sein. Da war nichts mit Innovationskraft, Standortmarketing, Networking und Kreativität. Da war STOP MAKING SENSE. Wir werden vermissen, dass das jemand in dieser Deutlichkeit durchexerziert hat. 
 
Wir stehen hier als Betroffene, die die Chance 2000 nicht genutzt haben. Lasst uns trauern: Der Westen ist auf die Produktion von Verschleiss ausgelegt, der Osten auf die Produktivität der Verschlissenen. OST hatte mit dieser Produktivität kein Problem, die Toten waren die Vorarbeiter. OST war eine Maschine der Toten, geräumig, wandelbar, geographisch schwer auszuloten, politisch dystopisch. Da waren Gänge, wo die Stimmen der Schauspieler auf der Probe verhallten. Das Meckern der Haustechniker, Geräusche aus Werkstätten, Probenräumen, Abstellkammern. Das ganze Haus ein riesiges Ohr, eine Stasi-Abhöranlage, in der Geborgenheit hergestellt wurde. Abhören ist eine Fabrik für Nähe. In den Gängen waren wir tagelang versteckt, ernährten uns von Sekt und dem Klang, ohne Gefühl von West- oder Restzeit. Keiner hat uns nach Eintrittskarten gefragt, niemals. 
 
Die Gänge im OST werden keine Orte mehr für uns sein. Wir wollen OST unterirdisch werden lassen. Wir sind für die würdige Versenkung des ganzen Baus in die Erde am  Rosa-Luxemburg-Platz. Ihr seid nicht den Saal wert, nicht die Gänge, nicht den Sekt. Eure Texte, die SCHREIE EURER LÄMMER, werden auf dieser Bühne nicht einmal ein Echo finden. Und wenn, bald schon, in der Hölle kein Platz mehr ist, wandeln die Toten auf der Erde.
 
Und eine Bitte an die, die hadern: vergesst die Idee, die »Zukunft der Volksbühne neu Verhandeln«. Es gibt keine Zukunft im Tod, keine Unterhandlungen mit dem Tod, er akzeptiert nur Hingabe. Restlose Hingabe. Eure geliebte Bühne hat es selbst gesagt: Liebe zur Zukunft heißt Nekrophilie. Ehret die Toten. In Ehren gehen, das lernt man nicht im Kapitalismus.



ANFANG

 
Bertram Lomfeld
TATA!
Demokratische Utopien politischer Ă–konomie
 
Felix Heidenreich
Das Recht auf Hoffnung
und die Umverteilung des Optimismus
 
Peter Siller / Bertram Lomfeld
Ist es links? >Optimismus<
 
Ulrike Meyer
Eine neue europäische Identität?
Die Krise als Chance begreifen
 
Stefan Solleder
Wann fängt ein Anfang an?
Fluch und Segen von Zeitabschnitten in den Sozialwissenschaften
 
Dietmar Dath
D=B=K
Digitale Spuren aus „Venus siegt“



MEIN HALBES JAHR

 
Peter Siller
Mein halbes Jahr: ›Comic‹
100 Manga Artists – 75 Jahre DC Comics – Black Panther – Chrononauts – Corto Maltese – Essai – Geisel – Die Zeitmaschine – Ich habe … getötet – La Casa – Little Nemo – Martha & Alan – Melvile – New York – Old Man Logan – Paper Girls – Patience – Rach
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr: ›Film‹
Oh happy Day – Fargo – In Zeiten des abnehmenden Lichts
 
Johannes von Weizsäcker
Mein halbes Jahr: >Musik<
Flying Lotus – Thundercat – Vulfpeck – Knower – Louis Cole – Suburban Lawns
 
Birthe MĂĽhlhoff
Mein halbes Jahr: >Literatur<
Fist – Kontrasexuelles Manifest – Future Sex



DAZWISCHEN

 
Peter Siller
Infrastructures matter!
FĂĽr einen neuen Anlauf in der Gerechtigkeitsdebatte



SCHÖNHEITEN

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