Für Markus – mein großer, verlorener Bruder
Das Ende des Lebens ist kein Zeitpunkt, den Menschen erleben können. Wir weiterhin Lebenden vermögen nur darüber zu spekulieren, was aus Perspektive der dahinscheidenden Personen geschehen könnte. Diese Unwissenheit bietet Anlass für allerlei Spekulationen und Ängste, welche die Menschheit seit jeher beschäftigen. Religiöser Glaube bezüglich eines Lebens nach dem Tod oder die Wiederkehr unter die Lebenden betreffend sind eine Denkrichtung; profane Überzeugungen, wonach der Tod wie ein endloser, traumloser Schlaf erlebt werde, sind ebenfalls verbreitetet.
Ist der Tod ein Übel?
Die Unwägbarkeiten bezüglich des Todes und die Tatsache, dass er gerade nicht in Kategorien des Lebens eingefangen werden kann, machen die Bewertung des Todes schwierig. Zwar scheint es vielen Menschen anscheinend ziemlich leicht zu fallen, den Tod abzulehnen und ihn als ein schreckliches Ereignis zu bewerten, aber beim genaueren Hinsehen ist es nicht so einfach, dieses Verdikt zu begründen. In der Tat scheinen ja zudem viele Menschen der Ansicht, dass der Tod nicht unter allen Umständen so schlecht ist. Warum also ist der Tod ein Übel; ist er es überhaupt?
Wohlgemerkt, hier soll es um die Frage gehen, was der Tod für die Person bedeutet, welche der Tod ereilt. Insbesondere steht das Problem im Vordergrund, ob der Tod für die betroffene Person ein Übel darstellt sowie, falls dem so ist, worin das Übel genau besteht. Natürlich bietet der Tod eines Menschen darüber hinaus Anlass für vielerlei Schmerz und Unbill, das andere Menschen ereilt, etwa Angehörige und Freunde des vom Tode Betroffenen. Insofern ist der Tod meist ein Übel für viele Menschen. Ob er aber ebenfalls ein Übel für die betroffene Person selbst darstellt, darüber streiten sich die Geister. Lukrez etwa behauptete, der Tod könne kein Übel für die betroffene Person sein, da auch die Nichtexistenz vor der Geburt kein Übel für sie darstelle. Hier herrsche demnach eine symmetrische Situation, welche die gleiche Bewertung erfordere. Andere argumentierten, der Tod ereile jeden Menschen, so dass keiner wirklich benachteiligt werde. Diese Argumentationen wirken aber aus verschiedenen Gründen nicht überzeugend. Die Nicht- existenz vor der Geburt ist keineswegs symmetrisch zu der nach dem Tod, da vor der Geburt noch keine bestimmte Person gelebt hatte, die dem Leben einen Wert zuschreiben hätte können. Auch die Tatsache, dass wir alle sterben müssen, macht als solche den Tod nicht besser. Schließlich gibt es viele Dinge, die wir alle irgendwann erleben müssen, beispielsweise Schmerzen, und die wir gleichwohl schlecht finden.
Es gab also immer schon Philosophen, die sich als Ratgeber für verunsicherte Menschen in diesen Lebenslagen verstanden. Der unfassbare Tod des Menschen und die damit einhergehenden Fragen, die sich den Lebenden stellten, boten der Philosophie zudem einiges Material, um über grundsätzliche Fragen des guten Lebens nachzudenken. [...]