Die Frage nach dem drohenden Ende internationaler Ordnungen gehört nicht erst seit der globalen Finanz- und den anschließenden Schuldenkrisen zum Repertoire gesellschaftlicher Diskurse; ausgelöst von atomaren Weltkriegsängsten, Ölpreisschocks, gescheiterten Militäreinsätzen oder terroristischen Anschlägen kehren Spekulationen über das Ende der liberalen westlichen Ordnung immer wieder zurück auf die Agenda politisch-intellektueller Debatten. Bedenkt man, dass unser kollektives Verständnis von Geschichte vom Denken in Epochen gekennzeichnet ist, überrascht einen das wenig: Kontinuität folgt Wandel folgt Kontinuität. Aus der Erkenntnis, dass die Geschichte niemals endet und internationale Ordnungen nicht ewig währen, speist sich chronisch das Nachdenken über Kontinuität und Wandel historisch mehr oder weniger stabiler internationaler Ordnungen.
Den Wandel verstehen
Die überwältigende Nachfrage nach Antworten auf die Frage nach dem Wandel ist von intellektuellen und akademischen Diskursen häufig nur eingeschränkt bedient worden. Insbesondere nach dem Ende des Kalten Krieges ist Wandel in westlichen Diskursen häufig vor allem als Fortschritt verstanden worden; von Fukuyamas »Ende der Geschichte« über den »Siegeszug des Westens« zur Debatte um die Ausbreitung einer kosmopolitischen Weltgesellschaft – überall proliferierten Vorstellungen vom Wandel von Ordnungen als tendenziell progressivem Prozess. Aus dem Blickfeld geriet dabei die Auseinandersetzung mit dem möglichen Ende von Ordnungen.
Beispielhaft hierfür ist der Umgang mit Problemen des Wandels in der internationalen Politik. Traditionell nimmt hier der Krieg eine zentrale Rolle ein. Arbeiten wie Robert Gilpins »War and Change in International Politics« sehen in hegemonialen Kriege die notwendigen Katalysatoren fundamentaler Transformationen. Im Hinblick auf die epochalen Zäsuren der europäischen Geschichte – 1648, 1815, 1918, 1945 – erscheint das plausibel. Die historischen Momente, an denen neue internationale Ordnungen geschaffen wurden, waren Friedenskonferenzen, welche die hegemonialen Kriege beendeten. Solch hegemoniale Kriege zwischen den (nuklear bewaffneten) mächtigsten Staaten erscheinen heute kaum noch vorstellbar. Erstens haben sich die Zerstörungspotentiale industrialisierter Kriegsführung derart erhöht, dass eine (nukleare) Auseinandersetzung keinen Gewinner hervorbringen würde. Zweitens ist die militärische Überlegenheit der USA gegenüber dem Rest der Welt inzwischen so ausgeprägt, dass für potentielle Gegner wenn überhaupt asymmetrische Auseinandersetzungen in Frage kommen. Für manche Theoretiker hatte sich der Wandel internationaler Ordnung damit abgeschafft: Angesichts der militärischen Überlegenheit der USA sowie der institutionellen Verankerung der liberalen westlichen Ordnung erschien das Ende derselben schlichtweg unvorstellbar. [...]