Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #23: Ende und Anfang




EDITORIAL

 
Liebe Leserin, Lieber Leser


ENDE

 
Mark Fisher
»Zeit gibt es hier keine, jetzt nicht mehr.«
 
Lukas Zidella
Kontinuität und Wandel
Vom Ende des Endes der Geschichte
 
 

Stefan Willer

Verhinderte Zukunft

Sicherheit, Prävention, Imagination


Die Sorge um Sicherheit ist eines der großen gesellschaftspolitischen Themen unserer Gegenwart. Sicherheitsbelange werden in öffentlicher und privater, in technischer, sozioökonomischer, polizeilicher und militärischer Hinsicht diskutiert und fächern sich auf in semantische Unterscheidungen wie die von security und safety, von Sicherheit, Sicherung, Versicherung und Versicherheitlichung. Sicherheit wird immer dann zum Thema, wenn Unsicherheit wahrgenommen oder diagnostiziert wird, wobei es darauf ankommt, was überhaupt jeweils als unsicher definiert wird, wie bestimmte Bedrohungslagen konstruiert werden – und nicht zuletzt, wer diese Definitionen und Konstruktionen vornimmt. Angesichts dieser zugleich drängenden und fast unüberschaubar reichhaltigen Problemlage verwundert es nicht, dass die Security Studies ein expandierendes, florierendes Forschungsfeld darstellen, vor allem in der Politikwissenschaft. Mehr und mehr wird Sicherheit aber auch ein Thema für die historischen Kulturwissenschaften.
 
Die Zeit der Sicherheit
Als strategisches, planerisches Konzept ist Sicherheit wesentlich prospektiv, und zwar auf doppelte Weise. Einerseits benennt der Ausdruck ›Sicherheit‹ eine für die Zukunft herzustellende oder in die Zukunft hinein zu erhaltende Situation der Unbedrohtheit; andererseits impliziert er ein gesichertes oder zumindest zu sicherndes Zukunftswissen, eine Art von Gewissheit über die Zukunft. Konzepte und Praktiken von Sicherheit erwachsen also aus spezifischen Zukunftsbezügen. Die derzeit aktuellen Sicherheitsdoktrinen in ihrer enormen Reichweite beruhen auf Denkfiguren wie Antizipation oder preparedness, also auf mittel- und kurzfristigen Entwürfen von Zukünften, auf die man aus der Gegenwart heraus möglichst direkt zugreifen kann. Zugleich stehen sie in engem Zusammenhang mit der denkbar negativistischen Vorstellung einer »Zukunft als Katastrophe« (Eva Horn). 
 
Der historische Einsatz dieses Diskurses lässt sich auf den Future Shock der frühen 1970er Jahre datieren. Mit diesem Schlagwort benannte der Futurologe Alvin  Toffler das krisenhafte Bewusstsein einer sich extrem beschleunigenden technisch-­ökonomischen Entwicklung, die nicht mehr mit Fortschrittsoptimismus, sondern mit Untergangsdrohungen konnotiert war und deshalb Überlebensstrategien not- wendig machte. Um dieselbe Zeit wurden auf unterschiedlichen wissenschaftlichen und kulturellen Feldern globale Bedrohungslagen konstatiert, einhergehend mit Rettungsstrategien, die zugleich Aufrufe zu einem radikal veränderten Zukunftshandeln im Namen ›künftiger Generationen‹ implizierten. Wirkungsreiche Zukunftsformeln wurden geprägt wie Blueprint for Survival ­– so der Titel einer 1972 im Umkreis der britischen Zeitschrift The Ecologist publizierten Schrift –  oder Limits to Growth, die ebenfalls 1972 erschienene Club-of-Rome-Studie mit ihren richtungsweisenden Modellierungen des Zusammenhangs von Demo­grafie und Ressourcenverbrauch. Auch das großangelegte Kultur- (und Natur)Erhaltungsprogramm der Unesco, World Heritage, wurde in jener Zeit begründet.
 
Der Soziologe Franz Xaver Kaufmann diagnostizierte vor diesem Hintergrund bereits 1970 in einer grundlegenden Studie über Sicherheit als soziologisches und sozialpolitisches Problem einen »paradoxen Zukunftsbezug«. Die Etablierung von Sicherheit bedeute gleichsam eine Stillstellung der Zeit durch die Verlängerung der Gegenwart in eine abgesicherte Zukunft hinein. So entstehe ein Spannungsverhältnis zur eigentlichen Zeitlichkeit der Zukunft, die Kaufmann durch unabsehbare Offenheit bestimmt sah. Dieser Befund verweist auf die maßgeblich von Reinhart Koselleck seit den späten sechziger Jahren formulierte These, wonach sich der entscheidende Wandel von Zukunftsmodellierungen, die im modernen Sinn emphatische Futurisierung, in der ›Sattelzeit‹ zwischen 1750 und 1850 vollzogen habe. Nach Koselleck bildete sich in jener Phase durch die zunehmende Differenz zwischen Erfahrungsraum und Erwartungshorizont ein neues Zeit- und Zukunftsbewusstsein aus. Die ältere, ›vormoderne‹ Korrespondenz von Vergangenheit und Zukunft – und damit die Möglichkeit der Überführung früherer Erfahrungen in kommende Erwartungen – wurde außer Kraft gesetzt, und Zukunft wandelte sich zu einem offenen, im starken Sinne verzeitlichten Raum des Unbekannten. [...]


 
Paula Diehl
News for the Masses
Massenmedien, Populismus, Rechtspopulismus
 
Thomas Schramme
Ende des Lebens
Die vertraute und völlig unbekannte Befassung mit dem Tod
 
Frederik R. Heinz
Das Ende der »politischen« Kunst
Warum uns die Kunst nicht retten kann
 
Interview Soh Bejeng Ndikung
»Privilegien verlernen«
 
Susann Neuenfeldt / Simon Strick
>OST<
Chris Cornell – Jonathan Demme – Jaki Liebezeit – George Romero – Clyde Stubblefield



ANFANG

 
Bertram Lomfeld
TATA!
Demokratische Utopien politischer Ă–konomie
 
Felix Heidenreich
Das Recht auf Hoffnung
und die Umverteilung des Optimismus
 
Peter Siller / Bertram Lomfeld
Ist es links? >Optimismus<
 
Ulrike Meyer
Eine neue europäische Identität?
Die Krise als Chance begreifen
 
Stefan Solleder
Wann fängt ein Anfang an?
Fluch und Segen von Zeitabschnitten in den Sozialwissenschaften
 
Dietmar Dath
D=B=K
Digitale Spuren aus „Venus siegt“



MEIN HALBES JAHR

 
Peter Siller
Mein halbes Jahr: ›Comic‹
100 Manga Artists – 75 Jahre DC Comics – Black Panther – Chrononauts – Corto Maltese – Essai – Geisel – Die Zeitmaschine – Ich habe … getötet – La Casa – Little Nemo – Martha & Alan – Melvile – New York – Old Man Logan – Paper Girls – Patience – Rach
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr: ›Film‹
Oh happy Day – Fargo – In Zeiten des abnehmenden Lichts
 
Johannes von Weizsäcker
Mein halbes Jahr: >Musik<
Flying Lotus – Thundercat – Vulfpeck – Knower – Louis Cole – Suburban Lawns
 
Birthe MĂĽhlhoff
Mein halbes Jahr: >Literatur<
Fist – Kontrasexuelles Manifest – Future Sex



DAZWISCHEN

 
Peter Siller
Infrastructures matter!
FĂĽr einen neuen Anlauf in der Gerechtigkeitsdebatte



SCHÖNHEITEN

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