Alban Lefranc
In Ekstase
Seelisches Bondage: Die Statue der Heiligen Teresa von Avila
Wie wir spätestens seit Lacan wissen, gibt es keine sexuelle Beziehung. Ihnen wurden Märchen erzählt, geben Sie es auf, es ist wissenschaftlich bewiesen, es gibt wirklich keine. Zu viel von dir, zu viel von mir, hoffungslos. Was aber bleibt, stiften die Mystiker. Mit dem Großen Anderen kann man am besten was unternehmen, wenn es einem gelingt, jeden Widerstand und jeden Willen aufzugeben, sich Ihm ganz auszuliefern. Eine komplette Umerziehung des Körpers ist aber erforderlich, eine sehr strenge Disziplin, ein seelisches Bondage.
Sich mit Gott zu begnügen, versteht sich die Heilige Teresa: »In den Händen des mir erschienenen Engels sah ich einen langen goldenen Pfeil; an der Spitze seines Eisens schien mir Feuer zu sein; es kam mir vor, als durchbohrte er mit dem Pfeil einige Male mein Herz bis ins Innerste, und wenn er den Pfeil wieder herauszog, war mir, als zöge er den innersten Teil meines Herzens mit heraus. Als er mich dann verließ, war ich ganz entzündet von feuriger Gottesliebe. (…) Der Liebesverkehr, der seither zwischen meiner Seele und Gott stattfindet, ist so beglückend, dass ich den gütigen Herrn anflehe, er wolle ihn dem zu kosten geben, der etwa meint, ich würde hier lügen.« Ihr Genuss besteht darin, von dem Anderen aufgehoben zu sein. Die Ekstase ist das erstrebte, nie vollzogene Erlöschen des Ichs: »Ich sterbe, weil ich nicht sterbe.«
Man muss sich fragen, warum der gleiche Vatikan der Evas und Adams Nacktheit (die Wandmalerei von Masaccio) verstümmelt hat, die Statue von Bernini in der Kirche S. Maria della Vittoria in Rom, die diese Erotik Gottes so deutlich darstellt, nicht gleich in einem Keller versteckt hat. Diese Freude musste bestraft werden: der Körper des Originals, der Bondage-Meisterin wurde nach ihrem Tod über alle Länder verteilt. Ihr Herz befindet sich in Avila, der Mittelfinger der rechten Hand kam nach Paris, ein kleiner Finger wurde den Carmelitinnen in Brüssel, ein anderer Finger denen zu Sevilla geschenkt, etc.
Gian Lorenzo Bernini, Die Ekstase der Hl. Teresa von Avila, um 1650, Kirche S. Maria della Vittoria, Rom; Teresa von Avila, Vida (1565), in: Sämtliche Schriften, Band 1 (Kösel 2003); Jacques Lacan, Das Seminar, Buch XX: Encore (Quadriga 1991).