Anja Höfer
Letzte Dinge
Scherzen und hadern mit dem poetischen Gott: Robert Gernhardts Abschiedstexte
»Lieber Gott, nimm es hin, / daß ich was Besondres bin. / Und gib ruhig einmal zu / daß ich klüger bin als du. / Preise künftig meinen Namen, / denn sonst setzt es etwas. Amen.«
Wer so kokett reimend die Todsünde der Superbia begeht, den können auch die letzten Dinge nicht schrecken. Mit ihnen hat sich der große deutsche Dichter Robert Gernhardt, der im Sommer 2006 an Krebs starb, am Ende seines Lebens naturgemäß besonders intensiv beschäftigt. So malt er sich in seinem posthum erschienenen Erzählband »Denken wir uns« unter anderem aus, wie das sein könnte, wenn man als Dichter »am Ende der Zeiten« vor dem Weltgericht steht. In einer kühnen Pointe entpuppt sich die ganze Verhandlung freilich als Werk des Dichters. Der Künstler als Schöpfer: darum geht es in vielen von Gernhardts Texten, und besonders in »Denken wir uns« – jeder der 26 kurzen Texte beginnt mit dieser Aufforderung – nutzt er die Form des literarischen Gedankenspiels, um sich völlig frei und virtuos durch Räume und Zeiten zu bewegen. Solch dichterischer Allmacht stehen bei Gernhardt allerdings immer auch Erfahrungen des Scheiterns und des Leidens gegenüber. Vor allem in seinem letzten Gedichtband »Später Spagat« setzt er sich offen mit seiner Krebserkrankung und den nur schwer zu ertragenden Nebenwirkungen der Chemotherapie auseinander. In einer von mehreren Paul-Gerhardt-Paraphrasen schreibt er: »O Robert hoch in Schulden / Vor Gott und vor der Welt, / Was mußt du noch erdulden, / Bevor dein Groschen fällt? / Durch Speien und durch Kotzen, / Läßt der sich nichts abtrotzen, / Der auch dein Feld bestellt.« Anders als sein Dichterkollege Heinrich Heine ist Gernhardt auf dem Sterbebett nicht religiös geworden. Und gerade weil er ohne metaphysische Tröstungen auskommen wollte, suchte er seinen Halt bis zuletzt im Schreiben, in der künstlerischen Produktivität. Gernhardt hatte keinen christlichen, auch keinen persönlichen Gott – sehr wohl aber einen poetischen, und mit dem konnte er trefflich streiten.
Robert Gernhardt, Später Spagat, S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2006, 14,90 Euro
Robert Gernhardt, Denken wir uns, S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2007, 18,90 Euro