»El Custodio« liefert das formal konsequente Portrait eines entfremdeten Lebens. In präzise montierten Bildern von distanzierter Ruhe und kühler Schönheit beschreibt der Film ein Herr-Knecht-Verhältnis. Der Leibwächter und sein Minister leben parallel zueinander in engster Nähe und größter hierarchischer Distanz. Ruben öffnet Türen, bewacht den schlafenden Herrn, begleitet ihn auf Toiletten, weicht in Gängen, Aufzügen, Flugzeugen nicht von seiner Seite. Auch auf den Wochenend-Wohnsitz und zur Geliebten begleitet er den Politiker. Dennoch nimmt er niemals teil. Auch die Zuschauer lernen den Minister, seine Arbeit und seine Familie nur durch Gesprächsfetzen kennen, abgeschnitten durch die zuschlagenden Türen der Sitzungssäle und Wohnzimmer, vor denen sie mit Ruben warten.Die Erniedrigungen durch die Herrenfamilie sind subtil und doch umso prägnanter vor dem Hintergrund des geschilderten Wechsels von automatenhafter Routine (Gänge durch Flure, Autotürenchoreografie) und lähmender Wartezeit. Ruben versucht seine Würde durch schweigsame Professionalität und Korrektheit auszudrücken. Doch im Fonds des Wagens feixt die Tochter des Ministers mit ihrem Freund über die bemühten Funkgeräteposen der Bodyguards und masturbiert ihn schließlich in provokativer, pubertär triumphierender Klassenarroganz vor den Augen des alternden Leibwächters im Rückspiegel. Rubens Talent zum Zeichnen, seine bemüht gepflegte kreative Ader, wird vom Minister für eine spöttelnde Selbstinszenierung vor einem französischen Staatsgast missbraucht.
Der Film liefert mehr als ein Berufsportrait. Er zeigt eine Dienstbotensicht auf soziale Hierarchien, die subtilen Demütigungen der Klassengesellschaft. Rubens Leben ist ohne Perspektive, ohne Selbstbestimmung, ohne Inhalt. Das Privatleben ist Spiegelbild der Arbeitswelt des schweigsam entfremdeten Mannes. Wir erleben seinen desaströsen Geburtstag im Kreise der traurigen Verwandtschaft und als Höhepunkt einen schäbig lächerlichen Prostituiertenbesuch. Der Film ist so langweilig wie das Leben, das er beschreibt. Und doch sehen wir ausreichend genau gewählte Kleinigkeiten, die den Knall am Ende erklären.
El Custudio (dt. Der Schatten), Argentinien 2005, 93 Min. Regie: Rodrigo Moreno. Darsteller: Julio Chávez, Osvaldo Djeredjian, Adrián Andrada, Osmar Núñez, Julieta Vallina