Liebe Leserin, Lieber Leser,Die erste Ausgabe von polar heißt schlicht „Politisierung“, als Frage an uns selbst, als Unbehagen am Status Quo, als zu konkretisierende Forderung, als Hilfeschrei. Lange Zeit galt Politik als tot. Gesellschaftliche Einmischung war uncool. Jetzt erwachen langgediente Erwerbsarbeiter und promovierte Jung-Akademiker mit Abstiegsängsten und Hartz IV. Der gesellschaftliche Graben zwischen drinnen und draußen wird weiter ausgehoben. Solidarität und Anteilnahme weichen dem Abwehrkampf gegen Notleidende und Hoffnungsvolle in anderen Regionen der Welt. Was fehlt ist öffentliche Auseinandersetzung über Ursachen, Ziele und Auswege. Politische Debatten verstecken sich in Sonntagsreden. Gerechtigkeit verbirgt sich in philosophischen Seminaren. Kunst taucht in Museen unter. Was fehlt ist Sichtbarmachen, Aussprechen, Auseinandersetzen.
Das Heft verfolgt das Politische von den staatlichen Institutionen über bürgerschaftliche Einmischung bis ins Theater. Der Blick geht nach Lateinamerika, Irak und Österreich. Der Ruf nach „Institution matters“ trifft auf radikaldemokratische Kritiker. Der französische Philosoph Jacques Rancière erklärt im Interview, was Politik heute sein könnte und kommentiert die Lage in Frankreich. Der finnische Völkerrechtler und Diplomat Martti Koskenniemi betrachtet die Zukunft internationaler Politik. Dietmar Dath beschreibt die gesellschaftliche Wirkung von Pop und Drastik. Eine sichtbare Gestalt erhält politische Auseinandersetzung in den Bildstrecken von Julian Röder und Kai-Olaf Hesse. Die literarischen Aufnahmen von Kathrin Röggla beschreiben die politischen Momente des Alltags.
Für die Redaktion
Peter Siller, Bertram Keller