Wir wissen, was nicht alle seine Mitmenschen wissen: Der Doc, Familienvater und Veterinär, kann mit Tieren sprechen. Er hat dies einst mühsam lernen müssen, weil er als Menschenarzt gezwungen war, Konkurs anzumelden. Die Patienten blieben weg, als eklige Nager und gefräßige Krokodile mit Zahnschmerzen die Praxis des als tierlieb geltenden Dolittle zu bevölkern begannen. Augenblicklich sind die Tiere des nahen Waldgebietes in Not. Eine skrupellose Holzfirma schlägt erste Schneisen ins schützende Gehölz. Vertreibung und Exil drohen. Es gibt nur eine Lösung: Awa, letztes Exemplar einer seltenen Bärenart, muss mit einem paarungswilligen Artgenossen verkuppelt werden, damit der Wald zum Naturschutzreservat erklärt werden kann. Doch das einzige männliche Exemplar in reproduktiver Reichweite ist der total verweichlichte Zirkusbär Archie. Ein hoffnungsloser Fall, der, mit pedikürten Krallen und »Born to be wild« singend, auf einem Motorrad durch die Manege knattert. Wie nur soll man einen eitlen Tanzbären überzeugen, zu seinen artspezifischen Wurzeln zurückzufinden? Überaus smart reanimiert kreuzt »Dolittle 2« zwei klassische zivilisationskritische Leitmotive: Einerseits erlebt man noch einmal das Wunder der Solidarität. Der mutmaßlich Stärkere gibt den Schwachen, den vermeintlich Sprachlosen, eine Stimme im Kampf um deren Interessen und erfährt sich dabei als ebenso abhängig und an den gleichen Dingen interessiert: an Recht und Gerechtigkeit. Zum anderen wird der Grundgedanke der Kulturkritik Rousseaus aufgegriffen, dessen Melancholie hier jedoch eine ironische Wendung erfährt: »Zurück zur Natur!« können wir nicht ernsthaft wollen - schließlich sind wir alle degenerierte Tanzbären -, doch ebenso wenig können wir dies nicht wollen.
Der Engländer Hugh Lofting war Soldat. Seine Dolittle- Geschichten sind buchstäblich im Schützengraben entstanden - als mit einem großen Krieg ein monströses Jahrhundert zivilisatorischer Katastrophen in Gang kam. Im Umkehrschluss macht uns der mit Tieren sprechende und sich mit ihnen verbündende Dr. Dolittle darauf aufmerksam, was uns der Zivilisationsprozess als Opfer abverlangt: eine uns wechselseitig sprachlos machende Entsolidarisierung. Dies festzustellen, kann ganz schön lustig sein.
Hugh Lofting, Dr. Dolittle und seine Tiere, 143 Seiten, Dressler Verlag, 7,50 Euro
Dr. Dolittle 1, USA 1998; Regie: Betty Thomas; Darsteller: Eddie Murphy, Ossie Davis; Buch: Hugh Lofting; Musik: Richard Gibbs
Dr. Dolittle 2, USA 2001; Regie: Steve Carr; Darsteller: Eddie Murphy, Kristen Wilson; Buch: Hugh Lofting; Musik: David Newman