Ob Stephan Remmler in seinem Exil auf Lanzerote die FAZ liest? Kaum zu vermuten. Ganz sicher aber waren Trio, diese krude Mischung aus friesischer Knödeligkeit und urban-avantgardistischer Verfeinerung, bereits Anti-Schirrmacher, als dieser noch gar nicht wusste, dass er einmal zum alarmistischen GAU-Leiter der Republik avancieren würde. 1981, als das selbstbetitelte Debütalbum der Großenknetener erschien, stand das Minimum noch in einem ganz anderen Licht. Entschlackt vom pathetischen Ballast der großen Negationskünstler des Rock, drehten sich Remmlers radikal verknappten Denglisch-Texte fast ausschließlich um das Großthema der zwischenmenschlichen Vergletscherung. In der legendären Telefon-Ode »Sabine Sabine Sabine« wurde Niklas Luhmanns Diktum, wonach man nicht nicht-kommunizieren könne, zumindest auf eine harte Probe gestellt. In der Liveversion des Beziehungsdramas »Broken Hearts For You An Me«, dessen für Trio-Verhältnisse ellenlanges Gitarrensolo meist mit einem kleinen Tischtennismatch überbrückt wurde, wagt Remmler einen (so wörtlich) »Blick hinter die Kulissen der Zweisamkeit« und erkennt - nichts. Daraus aber gleich demografische Katastrophenszenarien und eine kinderlose Ego-Gesellschaft abzuleiten, wäre dem Ex-Pauker freilich nie in den Sinn gekommen. Das Wenige, das sich bei ihm an skeptischer Zukunftserwartung offen zeigte, wurde (nachzuhören bei der Demoversion von »Kummer«) derart dunkel dargeboten, dass es vom mürrisch gegrunzten Cover der Krefelder Grindpunks »Japanische Kampfhörspiele« fast schon nicht mehr getoppt werden konnte.Was Trio für Apokalyptiker und Integrierte wohl gleichermaßenattraktiv macht, ist ihr vorsätzlicher Verzicht auf Fülle. Gestandene
Krautrocker wie Holger Czukay und Klaus Voormann hat dieserselbst verordnete Sparzwang entzückt, jüngere Resteverwalter der Konkursmaße Pop eifern ihm gerne nach. So kann das wunderbare Londoner Low-Fi-Ensemble The Chap zwar seine Indie-Sozialisation kaum verbergen, orientiert sich aber bei der Außendarstellung ganz am Habitus jener New-Wave-Bands, die zwar die Schminke im Prog Rock, nicht aber dessen performativen Ehrgeiz scheiße fanden. So wird ein Chap-Konzert häufig mit Pantomime und ruralem Vogelgezwitscher eröffnet, nur um kurze Zeit später den Schnelldurchlauf des Metropolentods zu formulieren: »Garage rock/album launch/ chart success/interview/New York/Tokyo/ hotel room/ loneliness/ suicide.« Der bei Chap ständig in Latenz gehaltene Gegensatz zwischen Authentizität und artifizieller Pose wurde bei Trio leider auf völlig falsche Weise entschieden: Heute singt Remmler, ehemals Polarfoscher im saucoolen Sektor, mit dem Landeiermann Heinz Strunk darüber, dass Frauen nerven und zu schnell altern. Zwar denkt das Schirrmacher insgeheim auch, spekuliert dabei aber nicht auf Akklamation in hackedichten Après-Ski-Gemeinden.
Wenn Schirrmachers These einer schleichenden soziobiologischen
Umprogrammierung wirklich zuträfe, dann dürfte man sich ja nicht darüber wundern, wenn warmherziger Gefühlspop ohne bevölkerungspolitische Absichten zu einer aussterbenden Art gehörte. Dass dem aber nicht so ist, beweist das unfassbar talentierte Frickelduo Electric President aus Jacksonville/Florida, das auf seinem Debütalbum die Harmonieseeligkeit der ländlichen Idylle mit elektronischen Störgeräuschen sehr charmant fusioniert. Wurde bei Trio noch in der Scheune und bei The Chap in der WG-Küche aufgenommen, so fiel hier die Wahl auf einen Geräteschuppen nahe einer befahrenen Straße. Dieses Zwischenreich der Erkenntnis machte dann erhabene Zeilen wie diese möglich: »You sit up on your perch for the rest of the night/You watch the moon and hope the damn thing crumbles/You count the stars reflecting in the windows/And then you realize just how minimal you are.«