





polar #8: Unterm Strich
EDITORIAL
PRÄMIE
PHANTOM
PILLE
SCHÖNHEITEN
Judith Karcher Die Wette Desperado: Tarantino als Seher der Finanzkrise
| Anna Sailer Unterm Strich Werbende Antworten bei der Postbank: Fragen bei Agota Kristof
| Johannes Kleinbeck Tanz auf dem Seil Was soll ich sagen? Werner Herzogs Lebenszeichen
| Christoph Raiser Ausrutscher Höchstleistung ohne Arbeit: Gaston Lagaffe von André Franquin
| Michael Eggers Das Boot Großtat mit Tortenschlacht: Sloterdijk, aufgespießt vom pathos transport Theater
| Franziska Schottmann Der Zeuge Die Wiederkehr des Verdrängten: La Sentinelle von Arnaud Desplechin
| Kendra Briken Metropole im Kopf Woher Du kommst: Stephan Thomes Roman Grenzgang
| Tim Caspar Boehme Remmidemmi Spaßhaben als Leistungsprinzip: Deichkind zur Arbeitsgesellschaft
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Daniel LoickDer traurige SouveränAnarchistisches Manifest: Spike Jonzes Where the wild things are | 2009 brachte für viele die Gelegenheit einer bittersüßen Reminiszenz an die eigene Kindheit: Regisseur Spike Jonze hat Where the wild things are von Maurice Sendak auf die Leinwand gebracht. Die Verfilmung buchstabiert die subtile psychoanalytische Dimension detailliert aus. Nachdem der kleine Max unartig war und seine Mutter mit ihm schimpft, nimmt er in seinem Wolfskostüm Reißaus und gelangt auf eine ferne Insel, wo er einige seltsame Wesen antrifft. Max gelingt es, den wilden Kerlen weiszumachen, er sei der Wildeste von allen, woraufhin er zu ihrem König ernannt wird. Dadurch kommt es unwillentlich zu einer Umkehrung der Eltern-Kind-Beziehung: Plötzlich ist es Max, der mit den Launen und Eigenarten der anderen umgehen muss. Der impulsive Carol, die depressive K.W., die aggressive Judith, der schüchterne Alexander und die anderen wilden Kerle erweisen sich als unregierbar, die Regierungsversprechen – anspruchvoll genug: »to keep the sadness out« – als unerfüllbar. Walter Benjamin beschreibt in seinem Trauerspielbuch den Souverän in einer ähnlich misslichen Lage: Durch den Rückzug der Theologie vom Geschäft der Weltdeutung ist der Fürst in den Rang des »ersten Exponenten der Geschichte« gehoben. Der Fürst als Träger eminenter Entscheidungsgewalt wird aber, da er nicht nur Fürst, sondern auch weltliche Kreatur ist, von dieser Gewalt dramatisch überfordert, denn »so hoch er über Untertan und Staat auch thront, sein Rang ist in der Schöpfungswelt beschlossen, er ist Herr der Kreaturen, aber er bleibt Kreatur«. Die existenzielle Fehlbarkeit, die Abhängigkeit und Vergänglichkeit des Menschen schlägt sich so, als Entscheidungsunfähigkeit, selbst in der souveränen Macht nieder. So muss auch Max schließlich zugestehen, dass er kein König ist und nie einer war. Sendak erzählt die Flucht als einen Lernprozess, in dessen Vollzug Max erkennen muss, dass es nicht besser ist, wenn die Macht mit einem ist. Sogar in der Phantasie ist es unmöglich, König oder erwachsen zu sein. Diese anarchistische Konsequenz ergibt sich nicht aus einem moralischen Imperativ oder einem politischen Programm, sondern aus der psychosozialen Subjektivität der Herrschenden selbst: Nicht nur den Kindern, uns allen erscheint es am Ende als eine Erlösung, wenn wir anstatt zu regieren oder zu erziehen in den Armen unserer Liebsten eine heiße Suppe essen dürfen. |

| Peter Siller/Stephan Ertner Kein Zeigefinger, nirgends Der Humanist des Punk: Farin Urlaub
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