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polar #8: Unterm Strich



EDITORIAL

 

Peter Siller, Bertram Keller

Editorial


Liebe Leserin, Lieber Leser,

»Leistung muss sich wieder lohnen« – mit diesem Slogan gewinnt man heutzutage Wahlen. Effizienz und Leistungssteigerung sind Diktum unserer Zeit und längst nicht mehr nur in wirtschaftlichen Zusammenhängen gültig. Dabei bleibt allerdings völlig unklar, was mit »Leistung« eigentlich gemeint sein könnte. Geld gibt es im Casino-Kapitalismus nicht für Anstrengung, sondern für Gewinne. Und vielen Menschen, die gerne etwas einbringen würden, ist der Weg in Arbeit und Einkommen versperrt. Leistung steht überdies immer in Relation zu den Ausgangsbedingungen. Herkunft, Talente und Handicaps spielen eine größere Rolle, als der uniforme Leistungsgedanke uns weismachen will. polar nimmt den Leistungsbegriff unter die Lupe: Welche Vorstellungen von Leistung gibt es? Welche Kriterien? Welche Kritik? Wer verdient was? Ein Heft über Anstrengung und Erfolg, Reichtum und Rendite, soziale Blockaden und nicht zuletzt über den Mythos von der Leistungsgesellschaft.

Doppelbödig und unbeständig erweist sich der Leistungsbegriff im Verständnis der Gesellschaft: Kai Dröge und Sighard Neckel geben einen Aufriss. Selbst als Maßstab innerhalb der Ökonomie erweist sich die Leistungsdefinition als Phantom, und im Portrait des Flaschensammlers finden wir die unternehmerische Leistung längst auf der Straße angekommen. Ob jeder bekommt, was er verdient, ob die Waagschale zugunsten von Aufwand oder Resultat ausschlägt, und ob Leistung ein Kriterium für Lohngerechtigkeit sein kann, hinterfragen der Wirtschaftsphilosoph Carsten Köllmann, der Moralphilosoph Walter Pfannkuche und der Gerechtigkeitstheoretiker Stefan Gosepath aus ihrer jeweiligen disziplinären Sicht. Bertram Keller stellt eine Stufe konkreter zehn Thesen für ein leistungsgerechtes Erbrecht auf.

Das Maß zwischen Leistungs- und Verteilungsgerechtigkeit nicht zu verkennen, sondern neu zu justieren fordert Claus-Martin Gaul. Was hingegen die Sprecher des Leistungscredos meinen, versucht polar im Gespräch mit dem FDP-Politiker Martin Linder zu ermitteln. Wer sind in der politischen Arena überhaupt die Adressaten der Leistungsreden? Franziska Stoltze, Lucas Guttenberg und Sebastian Kraus geben einen Einblick in die Leistungserwartungen der europäischen Hochschullandschaft. Ein Blick auf die Vereinigten Staaten zeigt, dass das dortige metonymische Verhältnis von Leistungsprinzip und Selbstverständnis nach wie vor auf einem ungerechten Zugang zur Leistungserbringung beruht. Talent oder Herkunft? Patrick Bahners gestattet Karl Freiherr von und zu Guttenberg einen Auftritt und mit ihm einer Haltung, die mit Knigge und ererbter Noblesse zu überzeugen versucht. Mit Blick auf Strategien der Leistungssteigerung stellen sich zudem Fragen nach dem sozialen Umgang mit cognitive enhancement, nach der Geburt der Leistung aus der Dopingmoral im Sport, aber auch nach der Religion als probates Mittel.

Leistung jenseits von höher, schneller, weiter wird in poptheoretischen Anmerkungen von Jens Balzer gedacht. Die Verlangsamung aufnehmend finden wir im Gespräch mit der Künstlerin Alice Creischer Gedanken zur Nicht-Effizienz der Kunst.

Die künsterlische Positionen beleuchten das Thema der Leistung aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Olaf Nicolai beobachtet in seiner Serie den Fußballer Ballack. Isa Genzkens Rollstühle kontrastieren diesen sportlichen Zugang. Tobias Zielony zeichnet ein farbiges Portrait eines ganz speziellen jugendlichen Milieus. Isac Torres veranschaulicht, was Menschen alles für Geld bereit sind, zu tun. In Form einer künstlerischen Reportage betrachten Judith Raum und Gürsoy Dogtas die Kunstzszene selber.

Denken? Schwitzen? Oder alles absagen?

Für die Redaktion

Peter Siller, Bertram Keller




PRÄMIE

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PHANTOM

 
Stefan Gosepath
Anstrengung und Markt
Der Widerspruch der Leistungsgerechtigkeit
 
Ist es links? >Leistungsgerechtigkeit<
 
Ralf Obermauer
Minderleister der Legitimation
Die rätselhafte Kraft der Leistungsrede in der politischen Arena
 
Walter Pfannkuche
Jenseits von Neid und Habgier
Wie wir uns überzeugen können, dass wir verdienen, was wir verdienen
 
Michael Miebach
Schwitzen und Denken
Die Notwendigkeit eines positiven Leistungsbegriffs fĂĽr die SPD
 
Christian Neuhäuser
Gestatten: Elite?
Eine Inspektion der Leistungsmisere
 
Patrick Bahners
Haltung muss sich wieder lohnen
Guttenberg im Wahlkampf
 
Interview Martin Lindner
»Das gehört tatsächlich alles dazu«
 
Claus-Martin Gaul
Die Linke und die Leistungsträger
Oppositionspolitik in der Umverteilungsfalle
 
Hannes Grassegger/Lukas RĂĽhli
Leistung oder Marktwert?
Wir jagen ein Phantom
 
Michael Hartmann
Die Auserwählten
Auswahlverfahren an amerikanischen Elite-Universitäten
 
Franziska Stoltze/Lucas Guttenberg/Sebastian Kraus
Am Rande des Wahnsinns
Vom Leistungsbegriff an sogenannten Elite-Hochschulen
 
Christoph Raiser
Mein halbes Jahr: >Musik<
Le Chevalier de Rinchy – AU – Girl Talk
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr: >Film<
Defamation – A serious Man – Up in the Air – Scarlett Street – Zweiohrküken
 
Alban Lefranc
Mein halbes Jahr: >Literatur<
Samuel Beckett – Alfred Döblin – Olivier Le Lay



PILLE

 
Thomas Biebricher
Mit Gott kann ich alles erreichen
Religion als Technik der Leistungssteigerung
 
Michael Gamper
Agenten des Unauffälligen
Zur Genealogie der Dopingmoral
 
Greta Wagner
Leistung aus Leidenschaft
Zum sozialen Umgang mit Cognitive Enhancement
 
Ilja Braun
Schleichende Enteignung?
Zum Schutz journalistischer und verlegerischer Leistung
 
Urich Bröckling
Sinncontainer: >Exzellenz<
 
Susann Neuenfeldt/Simon Strick
Hallo Karthago/Hallo Rom: >Mangelwirtschaft<
 
Martin Saar
Bildpolitik: >Leistungsgrenze<



SCHÖNHEITEN

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