Stefan Gosepath Anstrengung und Markt Der Widerspruch der Leistungsgerechtigkeit
|
|
Ist es links? >Leistungsgerechtigkeit< |
Wer nicht verdient, was er verdient, wird ausgebeutet. Als Kritikerin oder Kritiker der Ausbeutung steht man traditionell links. Allerdings wird das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit heute immer häufiger von konservativen oder auch marktradikalen Kräften propagiert. Und dabei wird fast immer ein irriger Umkehrschluss gezogen: Man behauptet vorschnell, dass diejenigen, die mehr Geld verdienen, deshalb automatisch auch mehr leisten würden. So als sei das hohe Gehalt dieser Besserverdienenden bereits ein Beweis für deren Tatkraft. Das ist aber keineswegs notwendig, ja, nicht einmal oft und schon gar nicht in der Größenordnung der Fall, in der manche Besserverdienende vollends unverhältnismäßig von den herrschenden Arbeitsverhältnissen profitieren. Oder will ernsthaft jemand behaupten, dass ein Manager wesentlich mehr schuftet als ein Maschinenarbeiter oder dass eine Chefärztin härter arbeitet als eine Krankenschwester? Arnd Pollmann
In unserer Gesellschaft existiert ein tief sitzendes Bedürfnis nach Leistungsanerkennung. Deshalb ist die Akzeptanz unserer Sozialsysteme auch abhängig davon, ob es bei deren Finanzierung sowie bei den Transferzahlungen leistungsgerecht zugeht. Jedoch: Die Perspektive des Betrachters entscheidet darüber, was als leistungsgerecht wahrgenommen wird. Beispielsweise ist es aus Sicht der Empfänger von Arbeitslosengeld I leis¬tungsgerecht, wenn sich die Sozialtransfers an Höhe und Dauer der zuvor individuell eingezahlten Beiträge bemessen. Hingegen empfinden die derzeitigen Beitragszahler das System tendenziell dann als leistungsgerecht, wenn das Beitragsniveau niedrig bleibt und die Transferempfänger überdies Anreize erhalten, um auf dem Arbeitsmarkt bald selbst wieder Leistung zu erbringen. Folglich ist Leistungsgerechtigkeit kein objektiver Maßstab, sondern im besten Fall entsteht sie in einem gesellschaftlichen Diskus¬sionsprozess, bei dem Gruppeninteressen eine wichtige Rolle spielen. Michael Miebach
Leistung lässt sich sehr unterschiedlich definieren und wird auch sehr unterschiedlich verstanden: als Kraftaufwand, als intellektueller Aufwand, aber auch als bloßes Erreichen eines bestimmten Ergebnisses. Leistung, die individuelle oder gesellschaftliche Anerkennung verdient, kann sich nicht auf den einfachen Output beziehen, sondern muss die Ausgangsbedingungen mitdenken. Was sich für den einen fast mühelos bewerkstelligen lässt, ist für den anderen – wenn überhaupt – nur unter großer Anstrengung zu erreichen. Wie man diese Ausgangsbedingungen fröhlich außer Acht lässt, haben Westerwelle und Lafontaine im Bundestagswahlkampf vorgemacht, die beide den »ehrlichen Einzahler« beschworen, der um die Früchte seiner Arbeit gebracht werde. Den Leistungsbegriff deshalb aus der politischen Arena verbannen? Nein. So fatal ein falsch angelegter, überzogener Leistungsbegriff ist, so falsch wäre es, nicht das zu befördern, was Menschen nach Freiräumung der Blockaden leisten können und wollen. Ausschluss und Unterforderung sind ebenfalls Ausdruck mangelnder Anerkennung. »Wir da oben, ihr da unten« ist das Ergebnis. Peter Siller
|
|
Ralf Obermauer Minderleister der Legitimation Die rätselhafte Kraft der Leistungsrede in der politischen Arena
|
Walter Pfannkuche Jenseits von Neid und Habgier Wie wir uns überzeugen können, dass wir verdienen, was wir verdienen
|
Michael Miebach Schwitzen und Denken Die Notwendigkeit eines positiven Leistungsbegriffs fĂĽr die SPD
|
Christian Neuhäuser Gestatten: Elite? Eine Inspektion der Leistungsmisere
|
Patrick Bahners Haltung muss sich wieder lohnen Guttenberg im Wahlkampf
|
Interview Martin Lindner »Das gehört tatsächlich alles dazu«
|
Claus-Martin Gaul Die Linke und die Leistungsträger Oppositionspolitik in der Umverteilungsfalle
|
Hannes Grassegger/Lukas RĂĽhli Leistung oder Marktwert? Wir jagen ein Phantom
|
Michael Hartmann Die Auserwählten Auswahlverfahren an amerikanischen Elite-Universitäten
|
Franziska Stoltze/Lucas Guttenberg/Sebastian Kraus Am Rande des Wahnsinns Vom Leistungsbegriff an sogenannten Elite-Hochschulen
|
Christoph Raiser Mein halbes Jahr: >Musik< Le Chevalier de Rinchy – AU – Girl Talk
|
Matthias Dell Mein halbes Jahr: >Film< Defamation – A serious Man – Up in the Air – Scarlett Street – Zweiohrküken
|
Alban Lefranc Mein halbes Jahr: >Literatur< Samuel Beckett – Alfred Döblin – Olivier Le Lay
|