Hier wird es also noch einmal eingefordert, das Recht auf Faulheit. Zumindest vordergründig. Die Fiktion einer Flucht vor den ringsum immer gnadenloser anziehenden Leistungsschrauben kommt bei der Band Deichkind in allen Gestalten zu Wort. Da sind auf der einen Seite die »Priester, Putzfrauen, Pizzabäcker, Proktologen«, denen eine Überzeugung gemein ist: »Arbeit nervt«. Freilich stammt diese formelartig wiederholte Abneigung gegen Lohntätigkeit aus der Innenansicht der Arbeitsgesellschaft. Während sie ihren geregelten Dienst tun, sehnen sich die Beschäftigten kräftig nach »Druckbetankung durch den Trichter« oder träumen von »FKK in Rockstarposen«. Und statt den Kram einfach hinzuschmeißen, spornt sich die arbeitende Bevölkerung mit ihrem »Arbeit nervt«-Mantra zu stets neuen Leistungen an, in der Hoffnung, dass es irgendwann doch einmal kommt, das große Remmidemmi.
Die Perspektive des sozial Ausgegrenzten mit leerem Konto und Kühlschrank hingegen wird jenseits der regulären Strophen ins Zwischenspiel ausgelagert, ironischerweise mit einer Hommage an den Achtziger-Heuler »Mr. Roboto» von Styx, ein Song über rührend altmodische Automatisierungsfantasien vom modernen Maschinenmenschen. Dass er die Folgen solcher Rationalisierungswut nun am eigenen Leib zu spüren bekommt, macht dem Mittellosen jedoch »nichts aus«, als Zuflucht bleibt ihm das Fernsehprogramm mit Moderatorin »Sonya Kraus«.
Das alles hat mit naiver Glorifizierung von Nichtstun eher wenig zu tun: Bei der Electric-Super-Dance-Band Deichkind, deren Konzerte für entgrenzungsfreudiges Bühnengeschehen bekannt sind, bedeuten Unterhaltung und Freizeitwerterhöhung harte Arbeit, ihre demonstrativ zur Schau gestellte Orgienwütigkeit ist allerprofessionellstes Showgeschäft. Mit ihrer Musik und Bühnenshow widersprechen sie damit aufs Energischste der Botschaft ihres Songs »Arbeit nervt«: Was sie da tun, ist zwar anstrengend, doch genervt sind sie davon keinesfalls. Auch Spaßhaben folgt längst dem Leistungsprinzip.