





polar #8: Unterm Strich
EDITORIAL
PRÄMIE
PHANTOM
PILLE
SCHÖNHEITEN
Judith Karcher Die Wette Desperado: Tarantino als Seher der Finanzkrise
| Anna Sailer Unterm Strich Werbende Antworten bei der Postbank: Fragen bei Agota Kristof
| Johannes Kleinbeck Tanz auf dem Seil Was soll ich sagen? Werner Herzogs Lebenszeichen
| Christoph Raiser Ausrutscher Höchstleistung ohne Arbeit: Gaston Lagaffe von André Franquin
| Michael Eggers Das Boot Großtat mit Tortenschlacht: Sloterdijk, aufgespießt vom pathos transport Theater
| Franziska Schottmann Der Zeuge Die Wiederkehr des Verdrängten: La Sentinelle von Arnaud Desplechin
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Kendra BrikenMetropole im KopfWoher Du kommst: Stephan Thomes Roman Grenzgang | Eine der unterhaltsamen Entwicklungen des Zeitungsmarktes sind die wissenschaftlichen Kurzmeldungen. Nirgendwo sonst wird Erkenntnis gerade mit Blick auf komplexere gesellschaftliche Zusammenhänge so transparent wie kontingent inszeniert. Schon lange wird beispielsweise hin- und hergestritten, ob attraktive Menschen glücklicher sind. Michel Houellebecq behauptete 1999 eine enge Kopplung sexueller Aktivität und der Positionierung im sozialen System. War diese These eher subjektiv-explorativ begründet, ist ein US-amerikanisches Wissenschaftsteam einen Schritt weiter. Attraktivität macht glücklich, aber: »It depends where you’re from« (in: Personal Relationships, 16, 2009). Wer da an Bourdieu und Habitus denkt, ist nur methodologisch auf dem Holzweg. Die Forschungsgruppe befragte telefonisch 587 nichtschwangere Frauen nach ihrem Hüftumfang (WHR) sowie ihrem Body-Mass-Index (BMI) und setzte dies in Verbindung zu Vernetzung, Wohnort und Wohlbefinden. Die schlechte Nachricht für die kinderlose Metropolenbewohnerin: Sie muss – bei gleichem WHR und BMI – erheblich mehr für ihr Körpertuning leisten, als ihre Zwillingsschwester auf dem Land. Letztere profitiert davon, dass der »freie Markt« der Kontakte eingeschränkter, die persönlichen Beziehungen fremdstrukturierter sind. Provinz als Entlastung, zumindest vom Leistungsdruck herrschender Schönheitsideale? Der von Stephan Thome vorgelegte Roman Grenzgang bietet wichtige Ergänzungen. Es ist der Geburtsort, das Dorf Bergenstadt, in das der gescheiterte Habilitand aus der Hauptstadt zurückkehrt. Nur dort, so der erste Eindruck, kann dieses Scheitern in Würde vollzogen werden, denn dort »macht man nicht das Beste aus seinem Leben«. Thome indes skizziert diesen zufälligen Fluchtpunkt als Emblem pessimistischen Lebens. Begegnungen sind, ganz wie die US-amerikanischen Forscherinnen annehmen, strukturiert durch Schule, Supermarkt und Bürgerfest, die immer gleichen Straßen und gepflegten Vorgärten. Vor allem aber: die immer gleichen Menschen. Dass es hier nicht Schönheit sein kann, die glücklich macht, belegt jede der großartigen Beobachtungen Thomes. Dass umgekehrt Stadtluft allein nicht das Streben nach Glück befördert, scheint ebenso sicher. Die Metropole ist im Kopf oder nirgends – das Dorf auch? Future research needed. |

| Tim Caspar Boehme Remmidemmi Spaßhaben als Leistungsprinzip: Deichkind zur Arbeitsgesellschaft
| Daniel Loick Der traurige Souverän Anarchistisches Manifest: Spike Jonzes Where the wild things are
| Peter Siller/Stephan Ertner Kein Zeigefinger, nirgends Der Humanist des Punk: Farin Urlaub
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